ghj-logo

Welcome to Sarajevo

GB 1997 (Welcome to Sarajevo) Regie Michael Winterbottom, mitStephen Dillane, Woody Harrelson, 102 Min.

Eine zynische Aktualität begleitet diesen bewegenden Film beiseinem deutschen Kinostart: Dank der ungebremsten serbischen Politik"ethnischer Säuberungen" gilt "Welcome to Sarajevo" ebensofür das Frühjahr 1998 in Kosovo wie für 1992 imbosnischen Sarajevo. Der britische TV-Journalist Michael Henderson(Stephen Dillane) berichtet zusammen mit vielen Kollegen aus allerWelt von der belagerten Stadt. Zwischen Scharfschützen undBombenangriffen jagen sie täglich nach Bildmaterial aus derHölle. Doch wozu dienen die Bilder und Nachrichten? Rüttelnsie eine "Weltöffentlichkeit" wach oder machen sie vor allem denJournalisten zum Star? Die Männer und Frauen, die in einemzerbombten Hotel zusammenhocken, erwecken einen zwiespältigenEindruck. Der coole Zynismus, mit dem sich die Profis in Sachen Todgegen die schrecklichen Erfahrungen schützen, steht demlebensgefährlichen Einsatz gegenüber, mit dem sie überdie Menschen in Sarajevo berichten. Vor allem der amerikanischeStarjournalist Flynn (Woody Harrelson) bringt sich mit besondersriskanten Aktionen in die Schlagzeilen.

Henderson hingegen bewegt sich in eine andere Richtung. In einemWaisenhaus nahe der Frontlinie porträtiert er vergessene Kinderund plädiert in seinen Berichten für deren Evakuierung.Sein beiläufiges Versprechen, sie alle dort rauszuholen, wirdvon dem älteren Mädchen Emira (Emira Nusevic) sehrernstgenommen. Sodaß sich der Journalist nach mehreren Besuchenschließlich persönlich engagiert. Illegal bringt er Emiranach England und nimmt sie in seine Familie auf. Gemeinsam mit seinenKindern spielt sie behütet in einem prall-grünen Garten -in erschütternder Gegensatz zu den grauenLebens(un)möglichkeiten der ehemaligen Olympiastadt Sarajevo.Doch bald erreicht Henderson die Nachricht, daß Emiras Mutterihr vor neun Jahren aufgegebenes Kind nun wiederhaben möchte. Ermuß noch einmal in die belagerte Stadt ...

Am Beispiel der Kinder klagt "Welcome to Sarajevo" politischesZögern an, vor allem bei den eigenen, den britischenRegierenden. Da werden die Politiker mit Bildern von KZ-Gesichterngegeneinander geschnitten und beschwichtigende Aussagen direktkommentiert. Die Mischung aus Spielfilm und erschütternden,dokumentarisch wirkenden Sequenzen packt schnell und anhaltend mitspannenden, schrecklichen und rührenden Momenten. Dem Anfang derBelagerung von Sarajevo folgen tatsächliche Ereignisse wie derbesonders fatale Bombeneinschlag am Markttag oder die ersten Bilderaus den Konzentrationslagern der bosnischen Serben.

Dabei vermeidet "Welcome to Sarajevo" weitgehend die Falle vielerKriegsfilme: Zwar stehen die internationalen Kamerateams imMittelpunkt der Geschichte, doch ihr Handeln wird vielschichtigkritisch beleuchtet. Der Film berührt mit dem ausweglosen Leidender Bevölkerung. Nicht erst wenn einer der Kriegstouristenangeschossen wird, gibt es Betroffenheit, so wie in vielen anderenFilmen zum gleichen Thema - etwa im spanischen "TerritorioComanche".

So steht "Welcome to Sarajevo" in einer eindrucksvollen Reiheimmer wieder auf andere Weise erschütternder Filme von MichaelWinterbottom: Nach einigen TV-Arbeiten (u.a. die erste Folge von"Cracker" / "Füralle Fälle Fitz") zeigte er in seinem Kinodebüt"Butterfly Kiss" (1994)Amanda Plummer als schockierend eigenwillige Mörderin. Derhistorische "Jude"("Herzen in Aufruhr") machte die sozialen Umstände zum brutalenGegenspieler einer dramatischen Liebe. Als neuester Film soll imSeptember Winterbottoms "I wantyou" in die Kinos kommen. Eine in jeder Hinsicht spannendeLiebes-, Krimi- und Emigrantengeschichte.


Eine Kritik von GünterH. Jekubzik

realisiert durch
Ein Service von
arena internet service
FILMtabs-Logo