Herzen in Aufruhr
GB 1996 (Jude) Regie Michael Winterbottom, 123 Min.
Erinnert sich noch jemand an"Butterfly Kiss"? AmandaPlummer, unter den Klamotten mit blutigen Ketten behängt, andenen sie nicht so schwer tragen mußte wie am Schmerz der Liebeund des Wahnsinns. Eine mörderischer Beziehungstrip zweierFrauen.
Nun hüllt Michael Winterbottom in seinem zweiten Filmhistorische Kostüme über seine Figuren. Ketten sind nichtzu sehen, doch der Schmerz zieht noch mehr nach unten. Der letzteRoman Thomas Hardys diente als Vorlage. An sich schon kein Quell derFröhlichkeit, fordern die sorgfältigen, intensiven Bilderund das eindringliche Spiel die Belastbarkeit des Publikums.
Jude Fawley kommt vom Land, arbeitet als Steinmetz, wobei er injeder freien Minute mit Büchern gesehen wird. Wissenshungerzieht ihn an die Universität. Sein Altgriechisch beeindrucktunfreiwillig in Kneipen, die heiligen Hallen des Wissen lassen ihnjedoch nicht ein. Judes erste Ehe scheiterte an seinem Widerwillengegen das harte, manchmal blutige Bauernleben und an seinerKompromißlosigkeit in Liebesdingen.
Die Landschaft ist eisig, der aufrechte Mensch einsam. Diespätere Leidenschaft zu seiner Cousine Sue (Kate Winslet)scheint unmöglich. Erst nach ihrer Heirat - ein weitere hartePrüfung des Lebens - finden die Liebenden zu gemeinsamer Flucht.Aber sie kommen nur bis zur Armut und in die gesellschaftlicheAusgrenzung. Nicht miteinander verheiratet, dafür kinderreich,hausen sie im arbeitslosen Elend, das noch einen besonders grausamenSchicksalsschlag übrig hat.
Sarkasmus ist bei diesem Film eigentlich nicht angebracht. Derlange Leidensweg von Jude ist bewegend, erschütternd undbedrückend. Am besten läßt sich "Jude" inunterkühlten Kinos mit dünner Lautstärke sehen, dieserFilm muß Arbeit sein und auch das Publikum schmerzen. Wenn amEnde "Weil wir zu viele sind" von Kinderhand an eine Tür gepinntwird, müßte dieser Satz allenDas-Boot-ist-voll-Schwätzern im Hals stecken bleiben.
Der ritterliche Mann im Kino möchte gerne Kate Winslet("Heavenly Creatures","Sinn undSinnlichkeit") retten, die ihre Sue erst mit mädchenhaftemPausbacken-Lächeln ausstattet und später einfach zumMitheulen traurig ist. Christopher Eccleston kommt schon soausgemergelt ins Bild, daß ihm keine Chance gibt, all daskommende Leid zu ertragen. Doch er geht seinen Weg weiter, schlucktmehr als wahre Helden in falschen Filmen.
Michael Winterbottoms Beitrag zur endlosen Kette derLiteraturverfilmungen kann sich ästhetisch mit Jane Austens"Portrait of a Lady"messen. Der Brite schenkt mit seiner Kunst allerdings kaumversöhnliche Leichtigkeit aus. Nur ganz wenige der vielenbesonderen Bilder erlauben Wärme und Glück. So weißman nicht, ob man "Jude" weiterempfehlen sollte.
Eine Kritik vonGünter H.Jekubzik
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