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Der schmale Grat

USA 1999 (The Thin Red Line) Regie Terrence Malick, 170 Min.

Der Berlinale-Sieger: Meisterwerk um Krieg und inneren Frieden

Von Günter H. Jekubzik

Als "Kriegsfilm" oder als "US-Film" wurde er immer wieder bezeichnet: "Der schmale Grad" (The Thin Red Line), der Gewinner des Goldenen Bären der gerade zu Ende gegangenen Berlinale. Doch das Meisterwerk ist eher "Lebensfilm" als "Antikriegsfilm" und sein Regisseur Terrence Malick stellt geradezu eine Gegenfigur zum üblichen US-Film dar. Er wird auch schon mal Philosoph genannt und war nach seinen ersten beiden Filmen "Badlands" (1973) sowie "Days of Heaven" (1978) bereits Legende. Danach zeigte er dem Film beinahe 20 Jahre die kalte Schulter.

Die Handlung zu Beginn der amerikanischen Offensive im Zweiten Weltkrieg dient nur als Grundierung eines vielschichtigen Gemäldes: Es gilt die von den Japanern besetzte Pazifikinsel Guadalcanal mit der strategisch wichtigen Landebahn zu erobern. Reihe um Reihe stürmen die Amerikaner durchnumerierte Hügel hoch, werden von den Maschinengewehren der noch unsichtbaren Gegner niedergemäht, von eigenen Granaten zerrissen. Der Vergleich mit Steven Spielbergs "Der Soldat James Ryan" ist unvermeidlich, doch wo dieser nach einer kurzen, brutalen Einführung patriotisch das Gute am Krieg suchte, hält sich Malick mit den drastischen Aufnahmen zurück. Das Kampfgeschehen wird immer mehr zum bösen Traum, die Gedanken der Soldaten fliehen zu ihren Frauen oder zu der paradiesischen Insel, mit deren Bildern der Film begann. Schon dort stellte sich für zwei desertierte Soldaten die Frage, wo die Gewalt und der Kampf herkommen, ob sie in der Natur verwurzelt sind.

Auch später zeigt der Film immer wieder sagenhafte Bilder voller Schönheit, die nicht zur Handlung zu passen scheinen. (Für den Kameramann John Toll gab es eine weitere Auszeichnung bei der Berlinale.) Doch gerade das Innehalten im mörderischen, blutigen Kampf für ein kleines Blatt, das sich auf leiseste Berührung zusammenfaltet, setzt dem Grauen etwas Mächtigeres entgegen.

In der Truppe versammelten sich viele prominente Darsteller wie John Travolta, Sean Penn, Woody Harrelson, John Cusack und Nick Nolte. George Clooney soll selbst bereit gewesen sein, für Malick die Taschen zu tragen, wenn er nur irgendwie am Film beteiligt sein könnte. Der Produzent sagte, alle Stars hätten für diesen Film Schlange gestanden, diese Chance sei einmalig wie der Hallesche Komet gewesen. Doch die Figuren, deren Weg sich etwas aus dem Ensemble hervorhebt, werden meisterlich von Unbekannteren gespielt. Der aus Deutschland stammende Komponist Hans Zimmer schrieb den - bis auf ein paar Ethno-Entgleisungen - eindrucksvollen Soundtrack.

Der auf eigenen Erlebnissen basierende Roman "The Thin Red Line" ist Mittelteil einer Trilogie und stammt von James Jones, der in Guadalcanal einen Gegner tötete und dieses Trauma nie mehr los wurde. (Die Figur von James Jones taucht übrigens - gespielt von Kris Kristofersen - bald in dem Film "Zeit der Jugend" wieder auf.) Es ist "ein schmaler Grat zwischen Vernunft und Wahnsinn" steht in Jones' Roman auf einem Grab. Terrence Malick adaptierte selbst sehr frei das Drehbuch und inszenierte dann einen weiteren Meilenstein der Filmgeschichte in dem die kriegerische Handlung zu existenziellen Fragen transzendiert. "Der schmale Grat" ist ein Meisterwerk, welches das Tagesgeschäft überdauern wird - egal wie viele Oscars es geben wird.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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