Der Morgen stirbt nie

USA 1997 (Tomorrow never dies) Regie Roger Spottiswoode, ca. 120Min.

Bond? James Bond? War das nicht so eine Werbefigur, wie dasHB-Männchen oder der Marlboro-Rauchercowboy? Nur haltmultifunktional: Bond steigt immer gleich für mehrere Produktein den Anzug (und haut andere aus dem selben). Für einenhäßlichen BMW-Chopper, ein Handy, einen Anzug, eineArmbanduhr, Rasierklingen auch, meinte jemand. Und nebenbei füreinen Film ... wie hieß der doch gleich ... "Tomorrow neverdies". Der deutsche Titel "Der Morgen stirbt nie" läßtvermuten, daß jemand bei den Dreharbeiten einen Kopfschußgenau ins Sprachzentrum abbekommen hat.

Doch bis auf diesen Ausrutscher ist alles Bond wie gehabt: Auch im18. Film dieser Ian Fleming-Figur gibt es mächtig vielAgenten-Spielzeug in Form tödlicher Waffen, teurer Autos,nebensächlicher Frauen und absolut gefahrloser Action. PierceBrosnan ist in seinem zweiten Bond - nach"GoldenEye" - als Nachfolger vonSean Connery, Roger Moore und anderen etabliert. An dieemanzipiertere Chefinnenetage beim britischen Geheimdienst (JudiDench als M) hat man sich gewöhnt, der Rest istüberraschend unorigineller Standard.

Es beginnt mit einem kleinen, gemeinen Trick, mit dem vor allemdie Klingonen immer wieder die Enterprise genarrt haben: Einbritisches Kriegsschiff vor der chinesischen Küste erhältWarnungen, daß es in fremdes Hoheitsgebiet eingedrungen sei.Chinesische Flieger üben sich in Drohgebärden undplötzlich sinkt das Schiff. Der Angreifer war einradarmäßig getarntes Hightech-Boot, doch das sahen nur dieZuschauer. Ganz schnell ist der Weltfrieden in Gefahr - seit demFalkland-Krieg wissen wir, daß Großbritannien auch schonfür ein paar Schafe Kriege anzettelt. Elliot Carver (JonathanPryce), der Eigentümer des Tarnbootes besitzt neben einigenweltweiten Sendern, Satelliten und Nachrichtenagenturen auch eineuniversale Zeitung, den "Morgen". Mit dem heimlichen "Schiffchenversenken" produzierte Carver seine Schlagzeilen selbst und verkauftdanach Rundum-Pakete eines Weltkonflikts. Nebenbei soll bei derganzen Aktion ein weiteres Problem gelöst werden: Chinagehört als einziges Gebiet noch nicht zum Carver-Reich. DieKonflikte werden zu einer neuen Regierung führen, die Carver denZugang zu über einer Millionen neuer Kunden ermöglicht. Einganz reales Szenario, über das sich alle Medienkonzerne weltweitden Kopf zerbrechen: Wie kommen wir an diesen unglaublichgroßen Marktkuchen ran?

007 James Bond wird nun von linguistischen Übungen mit seinerjungen dänischen Sprachlehrerin abgerufen, um den Fall in einpaar Stunden zu lösen. Erst geht der Agent mit der Lizenz zumVerführen mit Carvers Frau ins Bett, dann beginnt ein Jagen,Rasen, Fliegen und Tauchen rund um die Welt. Die Bestandteile derBond-Formel blieben konstant: Gepflegte Action, auflockernde Scherze,Agenten-Hightech und romantische Scharmützel. Filmkunst gibt esbei Bond seit Jahren immer nur im Vorspann - und auch der ist mitseinen, hemmungslos aus den Sechzigern tradierten FrauenschauGeschmackssache.

Der neue Bond wurde teilweise in Hamburg gedreht, um demMedien-Mogul Carver eine Basisstation für seine schurkischenSendungen zu geben. (Eine vollkommen unrealistische Vision -angesichts unserer international führendenTelefongebühren.) Carver meint hörbar Turner, Ted Turner.Der Macher von CCN hat einen ähnlichen Konzern wie Carver. Seingrößter Erfolg war eine weltpolitische Krise, deramerikanisch geleitete Golfkrieg. Damals war CCN an beiden Frontenpräsent, belieferte sogar Politiker mit überraschendexklusiven Nachrichten. Allerdings zeigt Ted Turner, der Ehemann vonJane Fonda, auch ganz andere Seiten: Die Grundidee von CCN soll nicht"möglichst viel Geld für mich", sondern "möglichstviel Information für alle" sein. Und auch im sozialen undökologischen Bereich engagiert sich der Konzernchef enorm.

Andererseits ähnelt das "C"-Symbol von Carver im Film aberauch stark dem rotierenden "e" des Internet Explorers von Microsoftund Bill Gates. Der ist nicht nur reicher als Turner, schon langeverdächtigen ihn digital informierte Kreise der versuchtenWeltherrschaft. Sein Internet-Browser Explorer wurde gerade erst vonamerikanischen Kartellgerichten gebremst: Gates darf nicht dieWindows 95-Vormachtstellung auf dem Markt der Betriebssysteme nutzen,um auch das Internet technisch zu kontrollieren. Als weiteren Scherzin diese Richtung lanciert Carver eine neue Software voller Fehler:Dann werden die Leute auch noch das Update kaufen!

Doch das humorreiche Pulver in Sachen Medienpolitik ist im Bondschnell verschossen. Übrig bleibt Routine und dergrößte Werbeclou im Filmjahr 1997: Der Deal mit zehndeutlich erkennbaren Produkten hat den gleichen Umfang wie dieProduktionskosten des Films: 100 Millionen US-Dollar. BMW, Omega,AVIS und andere verpflichteten sich in detaillierten Verträgenzu Werbespots für ihr Produkt und den Film. Schleichwerbungheißt schon seit"VergesseneWelt: Jurassic Park 2" Trampelwerbung. Damals feierte der neueMercedes M in der spannendsten Szene ausgiebig seinen erstenFilmauftritt. Zwischendurch warf Mr.Bean in mehreren Werbeeinblendungen auf dreisteste Weise "M&Ms"ein. Mit Bond Nr. 18 ist hoffentlich der Wendepunkt erreicht.Vielleicht auch bei der Bond-Verwertung: Seit 1962 produzierte dermittlerweile verstorbene Albert R. Broccoli alle Bonds undhütete aufmerksam die Verfilmungsrechte. Mittlerweilehäufen sich Gerüchte, daß sich auch andere überdie Bond-Figur hermachen werden. Etwas frischen Wind könnte dieveraltete Klischee-Sammlung tatsächlich gebrauchen.

Günter H. Jekubzik


Eine Kritik von Günter H.Jekubzik

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