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Herbstgeschichte

Fr 1998 (Conte d'automne) Regie und Buch Eric Rohmer, 110 Min.

Es ist Erntezeit. Die Weinstöcke sind prall mit Trauben behangen. Die Winzerin in Jeans weist ihre Freundin jedoch auf gewisse Unterschiede hin: Dort drüben ständen die Stöcke aufgeräumt in Reih' und Glied, sie bevorzuge einen natürlicheren Anbau, lasse auch andere Pflanzen zwischen dem Wein ihre Vielfalt zeigen. Auf Kleinigkeiten zu achten lohnt sich und macht Spaß bei Eric Rohmer. Denn seine Geschichten schaffen es, das Erstaunliche im Alltäglichen zu entdecken. Immer drehen sie sich um Gefühle. Die sind jedoch nicht "bigger than life", kein grobklotziger Import aus den Hollywoodfabriken für blinde und taube Kinokunden.

Wer sah sich nicht schon mal versucht, zwei Menschen die man mag, zusammenzubringen? In dieser "Herbstgeschichte" versuchen gleich zwei unterschiedliche Freundinnen die reife Winzerin Magali (Béatrice Romand) zu verkuppeln: Rosine (Alexia Portal), die junge Freundin des flügge gewordenen Sohns von Magali, möchte ihre "Schwiegermutter" mit einem Ex-Liebhaber zusammenbringen. Etienne (Didier Sandre), Rosines Philosophielehrer will eher noch was von Rosine, läßt sich aber auf das Spiel ein. Isabelle hingegen, die vielleicht nicht ganz so erfüllte Ehefrau, als Buchhändlerin klug belesen, spielt nach einer Kontaktanzeige Platzhalterin für die alleinstehende älteste Freundin. Der ebenfalls gesetztere Gérard reagiert mit Kopf und Herz - ohne zu wissen, daß er nicht die wahre Magali vor sich hat.

Eric Rohmers "Herbstgeschichte" ist eine leise Komödie mit einer Hochzeit als Höhepunkt der Verwicklungen, ein leichtes Herbstlied mit ein paar melancholischen Tönen. Sie erklingen zusammen mit Menschen, die sich langsam Gedanken über den Herbst des Lebens machen, Angst haben, in der kommenden Zeit allein zu bleiben. Und es trällern Junge mit, die noch keine Ahnung haben , aber mit ihrem selbstversicherten Übermut immerhin einiges bewegen.

Die "Herbstgeschichte" zeigt im Hintergrund die Landschaften des "Midi", des französischen Süden. Ansonsten über lange Strecken "nur" Gesichter und Dialoge. Doch in ihnen finden sich reizvolle Nuancen und kluge Sätze. Wer das Klischee "noch so ein französischer Redefilm" überwindet, wird mit dieser Herbsternte, dem 98er Jahrgang von Rohmer reich belohnt. Denn dies ist ein weiterer Grund für Herbststimmung: "Herbstgeschichte" ist der abschließende Film aus Eric Rohmers Zyklus "Vier Jahreszeiten". Neun Jahre drehte der beinahe achtzigjährige Altmeister an den vier Filmen ("Frühlingserzählung", Sommer" und "Wintermärchen"), zwischendurch realisierte er noch die leichte Satire "Der Baum, der Bürgermeister und die Mediathek" sowie den Episodenfilm "Rendevouz in Paris". Es war nicht die erste Filmreihe Rohmers. Nach den "Moralischen Erzählungen" (1962-1972) folgte der Zyklus "Komödien und Sprichwörter" (1980-1987) mit jeweils sechs Filmen.

Die Suche nach dem Glück wurde in den "Jahreszeiten" wie gewohnt schlicht inszeniert. Das Gegensatzpaar Stadt/Land charakterisiert erneut die Menschen über ihr räumliches Lebenskonzept. Jedoch standen diesmal die Frauen im Mittelpunkt der vier Vierergeschichten (wie Hans Messias im film-dienst 19/98 aufzeigt). Daß diese wirren und keineswegs logischen Gefühlswege so klar gezeichnet werden, ist das große Kunststück in diesem und in anderen Filmen Rohmers.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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