Der Baum, der Bürgermeister und die Mediathek

Fr. 1993 (L'arbre, le maire et la mediatheque) Regie: Erik Rohmer, 105 Min.

Erik Rohmer erzählt vom Erzählen, wenn er seiner Kunst-Komödie den Untertitel "oder die 7 Zufälle" gibt. Denn jedes Kapitel des Films fängt mit "Wenn ..." an. Und was sind Geschichten anderes als Hypothesen über mögliche Ereignisse - Nacherzählung von Realität sind sie längst nicht mehr. In seiner "ironischen Reflexion über die Rolle des Zufalls in der Geschichte", wie sie der 74 Jahre junge Rohmer selbst bezeichnet, möchte ein Bürgermeister mit patriarchalen Allüren seinem Dorf einen Kulturkomplex schenken. Die Verbindung von Freiluft-Theater, Schwimmbad, Mediathek und einem Parkplatz erregt vor allem den Unmut des Dorfschullehrers. Durch einen der sieben Zufälle scheitert das nur anfangs von der Pariser Zentralregierung geförderte Großprojekt.

Diese knappe Handlung präsentiert Rohmer mal als Diskurs über Land- und Stadtleben, mal als theatralische Erregung, mal als Komödie, mal als Interview, je nach den dazugehörigen Figuren. Der französische Senior der Nouvelle Vague geht sogar so weit, den einzelnen Rollen unterschiedliche Kinostile zuzuordnen.Die Themen Fortschritt, Sozialisten, Grüne, Tradition, Stadt gegen Land lassen sich ebenso spaßig ernstnehmen, wie die trotz allem lebendigen Figuren. Ein sehr schöner Rohmer-Film für alle, die sich sonst über 'Rede-Filme' beschweren.

Als Zwischenstation in seinen üblichen Filmzyklen (Erzählungen der vier Jahreszeiten, Komödien und Sprichwörter) fällt "Der Baum ..." auch aus dem üblichen Filmkategorien - im positiven Sinn. Das frische Werk steht zwischen Fiktion und Dokumentation, wurde von Laien und Profis gespielt, ist politisch und (vor allen in der gesungenen Schlußsequenz, die an Jacques Demy erinnert) vollkommen künstlich.


Eine Kritik vonGünter H.Jekubzik

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