Durchgeknallt

USA 1999 (Girl, Interupted) Regie James Mangold, 105 Min.

Susanna (Winona Ryder) fragt sich, ob sie verrückt ist oder einfach nur in den 60er-Jahren lebt ... Eine berechtigte Frage, denn mit ihrer Frisur und dem Matrosenhemd von Jean Seberg wäre sie in Frankreich voll im Trend, dazu raucht sie Gauloise, und zwar Kette, weil der französische Widerstand die angeblich auch paffte. In den USA ist die unsichere Susanna jedoch Kandidatin für die Psychiatrie. Der sorgende Vater holt sich einen Kollegen, um die Tochter in die Anstalt von Claymoore einzuweisen.

Draußen kandidiert der junge Kennedy, Petula Clark singt "Downtown". Drinnen kümmert sich Valerie (Oh Schreck: Whoopy Goldberg) um die schlimmen Mädchen. In einem konstanten Fluß von Erinnerungen und Gegenwart ("You can't controll time") beobachtet Susanna aufmerksam die Mitinsassen: Ihre Zimmernachbarin Polly, die sich immer wieder ihre Arme aufschneidet. Die Bulimiekranke, die Brathähnchen unter dem Bett hortet und eine landete gar freiwillig im Kuckucksnest. Die Mädchen tauschen ihre autoritär verordneten Drogen untereinander. Und die wilde, aggressive Lisa (Angelina Jolie, die für diese Rolle den Oscar bekam) ist der provozierende Star der Anstalt. Sie verschreckt mit einem blassen, aufgedunsenen Gesicht, dahinter entschlüpft selten ein Lächeln, aber es ist klar, dass hier Leben drin steckt. Lisa ist mit ihrer gnadenlosen Offenheit die spannende Figur des Films, aber leider nicht die Hauptrolle.

Abseits des Horrors ihrer Biographien bilden die Eingewiesenen und die Freiwilligen immer wieder eine verschworene Mädchenclique, die ihren Spaß hat - mit den Spießern draußen, mit den Pflegerinnen, den Ärzten. Das ergibt eine zurückhaltende Anklage gegen die Psychiatrie, die Medizin, die Frauen zu Hysterikerinnen macht.

Auch wenn die Nebenfiguren bleiben oberflächlich bleiben, ist die biographische Frauengeschichte flüssig erzählt und - vor allem von Angelina Jolie gut gespielt. Bis zur angepaßten Wende, das so gar nicht dem Freiheitsstreben vieler Filme entspricht: Denn am Ende bekommt die Gesellschaft recht, Susanne sieht ihre Krankheit ein, ist ein braves Mädchen: "Ich habe den Traum mit dem Leben verwechselt." Das ist die Weisheit vom "Zauberer von Oz", dem Märchen, das in den USA seit Jahrzehnte erzählt wird - alles nur ein böser Traum, Dorothy. Alles ist gut und sanft und verlogen. Ein zweiter "Amerikanischer Quilt" für Winona Ryder. "28 Tage" traute sich gar nicht erst, Sandra Bullocks Sucht zum ernsten Problem zu machen, hier wird kurz vor Schluß der Rückzieher gemacht. So handeln die Mädchen das finale Drama unter sich aus, der Gesellschaftszustand interessiert plötzlich nicht mehr und Susannas Problem ist von dieser feigen Lösung her nicht nachvollziehbar.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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