Der Campus

BRD 1998 (Der Campus) Regie Sönke Wortmann, 120 Min.

Ein neuer deutscher Film macht von sich reden und profitiert voneiner ungewöhnlichen Medienpräsenz. "Der Campus" vonSönke Wortmann erhielt schon einen bayerischen Filmpreis alsStarthilfe mit auf den Weg und muß erst jetzt zeigen, ob erwirklich so interessant ist.

Die scharf satirische Analyse des Hochschulbetriebes beginnt miteinem erotischen Abenteuer des Professoren Hanno Hackmann (HeinerLauterbach). Der Familienvater mit Chancen auf das Amt desHochschulpräsidenten will reinen Tisch machen und dieAffäre mit seiner Studentin (Babsie Claasen) beenden. Diemöchte es jedoch noch ein letztes Mal mit ihm treiben und soerleben die Bauarbeiter vor dem Fenster eine wilde Sexshow. Hackmannist kein schlechter Mensch, höchstens etwas naiv undtolpatschig. Eigentlich ist alles völlig harmlos, nur startetjetzt eine komplexe Verkettung von Zufällen,Mißverständnissen und verschiedensten Interessen. AlsBabsie erfährt, daß sie die Theaterrolle in demVergewaltigungsstück, für die sie beim Abschied vonHackmann ein wenig geübt hat, nicht bekommt, schlägt siewütend um sich und wird in der Psychiatrie ruhiggestellt. DieLeiterin der Theatergruppe vermutet eine echte Vergewaltigung, derAusländerbeauftragte braucht einen Skandal, um die Kürzung"seiner" Mittel abzuwenden und die Frauenbeauftragte springt nur zugern auf den Skandalzug. Der noch amtierende Präsident Schachtist begeistert, als sich der Verdacht zusehends auf Hackmannkonzentriert und Bernie Weskamp (Axel Milberg), Leiter desDiziplinarausschusses und Derrick-Fan, träumt von einemschönen Büro mit Fenstern, wie es der Hackmann hat.

"Der Campus" beginnt mit einer spaßigen Einführungvieler karikierter Figuren, mit der packenden Entwicklung einerabsurden Situation. Dann geht der Film ins Dramatische über,wobei die Figurenentwicklung fast völlig auf der Strecke bleibt.Die Beziehungsprobleme Hackmanns mit seiner Frau sind psychologischäußerst schwach. Zum Schluß schwingt sich die vorherso lebendige und vielseitige Komödie zu einem banalen,ungebrochenen amerikanischen Pathos auf. Dietrich Schwanitz, derAutor des erfolgreichen Romans, sonnt sich mittlerweile imMedienlicht und wird von Talk zu Talk weitergereicht. Seineprovokativen Ansichten über den Unibetrieb und den Rest der Westbringt er live so pointiert wie im Film rüber.

Alles wird spitz bloßgestellt, vomAusländerbeauftragten (Die Ausländer, das bin ich), dersein Luxusleben mit vorgetäuschtem und gut inszeniertemEngagement finanziert, bis zum Zeitungsherausgeber, der vonaußen auf der Klaviatur der Intrigen mitspielt. "Zufällig"fährt im Hamburger Hafen ein Greenpeace-Schiff durchs Bild. Esgeht gegen die arrivierten Alt-Achtundsechziger, Hackmann erhältimmer wieder Ratschläge von einem ehemaligen Kampfgenossen(Armin Rohde), der nicht korrumpiert wurde und jetzt als Obdachloserdurch die Straßen zieht. Es geht um "political correctness",das, was man und frau noch sagen darf, es geht um dieMäntelchen, die man (und frau) sich anzieht, um der geradeaktuellen Ideologie zu entsprechen. Wenn Hackmanns Frau sich Sorgenum das passende Äußere macht und Hanno antwortet "Es istwurscht, was ich anziehe, entscheidend ist, was ich sage", dann sinddamit auch die Masken gemeint, die "richtige" und "falsche"Äußerungen mit einbeziehen. "Der Campus" geht dabei nichtden Weg von Harald Schmidt, rein mit geballtem Nicht-Sagbaren zuprovozieren. Am Ende des Films steht eine simple Maxime: Nur dieunbedingte Wahrheit zählt - vor der Tochter ebenso wie in derÖffentlichkeit.

Das Buch schrieb Schwanitz zusammen mit Sönke Wortmann("Der bewegte Mann") undanderen. Doch noch prägender dabei war der "Eichinger-Touch".Bernd Eichinger produziert seit Jahrzehnten sehr erfolgreich, ist derProduzent, dessen Aktien man langfristig unbedingt beachtenmüßte, wenn er an die Börse ginge. Deshalb sind dieEichinger-Filme auch immer auf ein möglichst breites Publikumausgelegt und bieten seltenst etwas Besonderes. So läßtsich "Der Campus" auch als die nächste, vor allemgemäßigte Literaturverfilmung nach"Die unendlicheGeschichte", "DasGeisterhaus" oder"FräuleinSmillas Gespür für Schnee" sehen.

Günter H. Jekubzik


Eine Kritik von Günter H.Jekubzik

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