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Bin ich schön?

BRD 1998 (Bin ich schön?) Regie Doris Dörrie, 117Min.

Bin ich gut? Ja, lieber Film, das bist du! Bin ich anrührend?Habe ich schöne Bilder? Originelle Geschichten? Menschen?Lachen? Weinen? Ja, das alles hast du, machst du!

Nachdem diese elementaren Fragen geklärt sind undklargestellt ist, daß man und frau diesen Film unbedingt sehensollte, noch ein paar Schwärmereien im Detail:

Der Titel von Doris Dörrie (mit einer Betonung auf dem e!)deutet hin auf eine Fortsetzung der weiblichen Midlife-Thematik"Keiner liebt mich",ist aber weitaus mehr. Auf der Basis ihrer eigenen Kurzgeschichten -erschienen im Band "Bin ich schön?" - wollte Doris Dörrieschon vor Jahren diesen Film realisieren. Daß ihr Lebenspartnerund Kameramann Helge Weindler starb, verzögerte das Projekt undschrieb sich in einige Episoden ein: Abschied, Sterben und Trauernsind die intensivsten Themen des Films, der Tod taucht immer wiederauf. Kleine komische Momente ("Kashmere spricht für sich ...")erinnern an "Ich und Er" und erzeugen auch dieses anregende,beglückende Gefühl des Films.

Dicke und dünne Menschen, Alte und Junge, Männer undFrauen begegnen und trennen sich. Nach einem langen Anflug der Kameravon Theo Bierkens auf eine trockene, spanische Ebene durch die sichdie Schweißspur eines deutschen Urlaubsautos zieht, verkettensich aufs eleganteste die Wege interessanter Menschen. Eine ganzeWeile geben sich die unterschiedlichsten Figuren den Handlungsfadenvon Szene zu Szene weiter. Doch irgendwann reißt die Folge ab,aber niemand wird angesichts dieser Fülle an Figuren undBegegnungen eine perfekte Formspielerei vermissen.

Linda (Franka Potente) istauf der Flucht vor ihrem eigenen Leben, stellt sich taubstumm,erfindet andere Lebensgeschichten. Uwe Ochsenknecht überraschtmit einer bemerkenswerten Rolle als Familienvater und trauernderBruder. Heike Makatsch darfspanisch sprechen, A-Klasse fahren (Dank an Mercedes für dieunübersehbare Schleichwerbung) und trifft auf eine ältereBlondine, die ihren Mann durch falsche Augentropfen verlor. Es isterneut so eine Begegnung zwischen jung und alt, die Lebens- undLiebesspannen umfaßt: "So wie du hab' ich früher auchimmer gekichert ..." sagt die Enttäuschte. Die ausgelaugteMutter Unna (Senta Berger) trifft ihren Jugendfreund David (OttoSander), der nach einem Schlaganfall fast alles vergessen hat. Docheinige Erinnerungen lassen sich in ärmlicher Umgebung nochherauskramen. Männer sind in "Bin ich schön?" meistoberflächlich, wollen ihren unkomplizierten, schnellverspritzten Spaß. Gespräche sind mit ihnen kaummöglich. Dafür vollbringen sie (in Person von GottfriedJohn) Heldentaten, wenn sich die Geliebte im ehelichen Badezimmer diePulsadern aufschneidet und blutig das blütenweiße Revierder Rivalin markiert.

"Bin ich schön?" ist sehr reif an Lebenserfahrung undgleichzeitig formal verspielt. Am Ende nähert sich der Filmwieder dem Anfang an, der Kreis schließt sich. Auf dem Weg ginges um Leben auf Probe, um das Leben als Schneeball, der in seinerBahn alles mitnimmt und unlenkbar wird. Die schrumpelndenKartoffelköpfe des fetten Kochs zeigen spaßigVergänglichkeit. "Bin ich schön?" fasziniert auch mitatemberaubenden Schauspielleistungen. Zur kaum faßbaren Riegevon Leuten, die man gerne auf der Leinwand sieht, gehört DietmarSchönherr: Als 70jähriger spanischer Witwer Juan tanzter bei dem eigenartigen Begräbnis seiner Frau den Schmerz, dieTränen und die Erinnerung heraus.

Man kann bei der Inflation von Filmen in dieser"Viel-Figuren-Form" (zuletzt "Dasmerkwürdige Verhalten ....") gar nicht mehr auf denPatenthalter Robert Altman verweisen. Doch eine deutsch-spanischeÜbersetzung von "ShortCuts" würde auch ein guter Titel für "Bin ichschön?" sein. Dörrie gelingt meisterlich eine großeVielfalt an Stilen: Vom stillen Gedankenfluß bis zumgroßen Familienfest, auf dem einige Fäden zusammenlaufen.Und immer wieder traumhafte, einzigartig schöne Momente wie diekleine Wolke in der Hand von Linda, ein Regen aus Rosenblättern,der Flamenco einer Gruppe spanischer Senioren oder einegroßartige Büßerprozession.

Nach sinkenden Anteilen des deutschen Film in den ersten beidenQuartalen 1998 meldete die Presse große Hoffnungen auf zweiFilme: "Bin ich schön?" sowie "Lolarennt". Und ganz überraschend ergeben sich viele, vieleBerührungspunkte mit dem letzten ("Winterschläfer")und dem neuen Film von Tom Tykwer ("Lolarennt"): Da sind zunächst die gleichen Schauspieler FrankaPotente, Joachim Król, Nina Petri. Dann die grobkörniggefilmten Erinnerungen, die quer zur eigentlichen Handlunglaufen.


Eine Kritik von GünterH. Jekubzik

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