ghj-logo

8mm

USA 1998 (8 MM) Regie Joel Schumacher, 124 Min.

Schwanz eingezogen

Eines der heuchlerischen Machwerke seit langem kommt nach seiner vernichtenden Premiere bei der Berlinale und einigen Terminverschiebungen doch noch ins Kino. "8mm" ist eines dieser brutalen selbstgerechten Hinrichtungsspektakel, die Hollywood üblicherweise im Actionfach versilbert: In der Hinterlassenschaft eines ehrwürdigen Mitgliedes der Gesellschaft mit dem vielsagenden Namen Mr. Christian findet sich ein 8mm-Film. Der sogenannte Snuff-Streifen zeigt brutalen Sex, der für ein unwissendes Opfer tödlich endet. Nun soll der sehr diskrete Privatdetektiv Tom Welles (Nicolas Cage) herausfinden, ob der Film tatsächlich einen Mord zeigt und wer das Mädchen auf den Bildern war. Welles begibt sich auf Recherche in "die Szene" von Los Angeles und der Film hat sein Sujet gefunden, an dem er sich ergötzt und das er in einem scheinheiligen Aufwasch gleichzeitig verdammen will.

Spekulativ macht sich "8mm" über sein Thema her, mischt Mord, Sadismus und alles was mit Sex zu tun hat in einen spekulativen Sumpf. Der Film zeigt allerdings kein wirkliches Interesse und schafft es auch nicht, die Szenerie für irgendwie reizvolle Bilder auszubeuten. Düster ist es dort, wo man für Pornomagazine und Erotikzubehör shoppen geht. Doch die angeblich so bizarre Unterwelt wirkt nicht ungewöhnlicher als die schlecht beleuchtete Viertelkneipe um die Ecke. Wesentlich ernsthafter an dem Schicksal der Opfer dieser Form von Gewalt interessiert zeigt sich etwa der belgische Film "Pure Fiction". Lebensnaher und überhaupt nicht reißerisch erzählt er eine Geschichte um die Serie von Kindesentführungen in Belgien.

An einigen Stellen von "8mm" ist noch zu merken, daß dieser Tom Welles völlig in den Bereich aus Sex und Gewalt abdriften sollte. Der im Endergebnis langweilige Film wollte mit dem abgründigen Dunkel von "Seven" reizen - Drehbuchautor Andrew Kevin Walker war wieder am Werk - und das "Element of Crime", den Virus des Verbrechens, auch beim forschenden Detektiv wirken lassen. Doch die Drohung "Bevor du es merkst, steckst du da selber drin ...", ausgesprochen von dem "Szene-Scout" Max (Joaquin Phoenix), bleibt ein uneingelöstes Versprechen. Die Schaulust existiert nur bei anderen, Welles selbst ist nie mehr als ungebrochener und daher uninteressanter Biedermann. Was dieser sich jedoch nicht nehmen läßt, sind die rächenden Morde im Finale. Zuvor holt er sich bei der Mutter des Opfers eine Genehmigung, dann beginnt das Schlachtfest. Alles vorher war nur Feigenblatt für diese martialische Lynchjustiz. Zudem leidet "8mm" unter der typisch amerikanischen Doppelmoral: Während hemmungslos Menschen ermordet werden, wird Sexualität gleich welcher Form verdammt und in den Dreck gezogen.

Ganz fragmentarisch geben die Regeln des Detektiv-Films den Rahmen ab: Die Falle baut sich mit einer alten Frau im Rollstuhl auf und die Spur führt den Detektiv angeblich zu sich selbst. Das ist für die Kinowelt von heute SEHR gewöhnlich. Und so ist dieser Privatdetektiv insgesamt nicht besonders clever, aufmerksam oder gerissen. Kurz: er bleibt uninteressant.

Erstaunlich ist die Darstellung der immer wieder als besonders wertvoll betonten Familie des Privatschnüfflers Welles. Sie erscheint in dunklen, unwirtlichen Farben, unterscheidet sich keineswegs von den düsteren Löchern, in denen Daddy nach Snuff-Filmen sucht. Auch die dümmliche Hysterie, die seine Frau in jeder Extremsituation befällt, trübt das zu auffällig betonte Image einer heilen Familie.

Das "Monster" hinter all der Gewalt zeigt sich hingegen ohne Maske als Alltagsgesicht. Es gibt keine Erklärung für die Taten, sie bleiben unbegreiflich, höchstens die Diktatur des eigenen Willens könnte als Quelle des Übels herhalten.

Auch handwerklich ist der Film mißlungen: Der eingleisige Handlungsstrang läuft uninteressant in die erwartete Richtung, vor allem das Familienleben beschert uns viele leere Texte. Die Musik von Michael Danna ("Exotica"), verfremdet amerikanische Städte, aber die - vollkommen bezugslosen - arabischen (An-) Klänge sind bedeutungslos fehlgesetzt.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

realisiert durch
Ein Service von
arena internet service
FILMtabs-Logo