Vaya con dios

BRD 2002 (Vaya con dios) Regie Zoltan Spirandelli 106 Min. FSK ab 6

Eine Offenbarung im deutschen Kino! Und vor allem eine völlig unerwartete: Denn von "Vaya con dios" als einem Roadmovie dreier Mönche zu sprechen, verbietet sich schon, weil die Brüder aus dem vergessenen Cantorianer-Orden, nachdem sie ihr sicheres Gemäuer verlassen haben, erstmal abseits aller Straßen und Wege querfeldein aufbrechen. Ihr Kloster in Brandenburg ist pleite und so machen sie sich nach Jahrzehnte langer Abgeschiedenheit auf in die Toskana, zum einzig existierenden Bruderorden. Die Cantorianer wurden von der offiziellen Kirche verstoßen, weil sich glauben, dass der heilige Geist Klang ist, und sie ohne Anleitung einer Kirche im Gesang bei Gott sind. Unterm Arm der letzten verbleibenden Brüder reist ihr wichtigster Schatz mit, die alte Ordensregel "Regula Cantorianorum".

Auf dieser, für so weltfremde Gestalten wahrlich abenteuerlichen Reise, begegnet jeder seiner ganz speziellen Verführung. Der junge Arbo (Daniel Brühl) hatte noch nie Kontakt zu einer Frau und so braust für ihn die forsche Fotografin Chiara (Chiara Schoras) in einem Cabrio heran. Sie ist - nach einem unfreiwilligen Stopp - in der freien Natur ebenso verloren, wie die drei in der modernen Zivilisation. Ein Handy mit Headset, ja überhaupt ein Telefon ist eine Sensation, ein Auto ebenfalls, obwohl des sinnesfreudige Tassilo meint, er hätte als Junge schon mal eines gefahren. Gegen die Bedrohungen der Welt und regelmäßig als Andacht singen Arbo, Tassilo (Matthias Brenner) und Benno (Michael Gwisdek) zusammen. Von diesen Inseln aus berührendem Klang, welche die Seele des Films und seiner Figuren bilden, löst sich die Handlung in auflockendem Slapstick, zur Spannung um die wertvolle Handschrift und zur anderen Herzensgeschichte, der Romantik um Arbo und Chiara.

Zoltan Spirandelli, der vor Jahren die Kinos mit dem Mitsing-Kurzfilm "Der Hahn ist tot" animierte, verbindet das Ernste aufs harmonischste mit dem lockeren Spaß. Wenn die drei verängstigten Heldlein in ihren Kutten für ein paar Umweltgauner bedrohlich wie Jedi-Ritter aus "Star Wars" wirken, wenn Begegnungen mit Rolltreppen oder Navigationssystemen immer wieder für Spaß sorgen, ergeben sich keine der Grobheiten, zu denen solch ein Zusammenprall der Kulturen meist verführt.

Nicht nur der intellektuell und sinnlich gleichermaßen tief gehende Gesang als ganz eigener Weg zu Gott macht "Vaya con Dios" zum einzigartigen Erlebnis. Schöne Kinobilder und hervorragende Darsteller vervollständigen die gelungene Gesamtkomposition. Vor allem Michael Gwisdek tiefe Furchen im Gesicht als verbitterter Jesuiten-Zögling Benno, der den Verführungen seines alten, marktwirtschaftlich seelenlos durchorganisierten Ordens fast erliegt, begeistert nach seinem Auftritt als einer der "Nachtgestalten" erneut mit einer anderen Seite seines Könnens. So erhielt "Vaya con Dios" verdientermaßen alle drei Nachwuchspreise in den Kategorien beste Darsteller (Daniel Brühl und Chiara Schoras) und beste Regie beim Bayerischen Filmpreis 2002.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik