Vanilla Sky

Deja view

USA 2001 (Vanilla Sky) Regie Cameron Crowe Mit Tom Cruise, Penélope Cruz, Cameron Diaz, Johnny Galecki, Jason Lee, Kurt Russell 120 Min.

Schein und Sein, das Grundprinzip des Kinos, das aus seinen unbewegten Einzelbildern im Lichtschein Leben erschafft, hat Konjunktur in den Geschichten des neueren Kinos. Auch "Vanilla Sky", das eigenständige Remake des schon genialen "Abre los ojos" (Open your eyes) von Alejandro Amenábar ("The Others"), ist so ein Film für Zuschauer, die mit dem sechsten Sinn zwischen den Zeilen lesen wollen. Es ist "The other Matrix" (fast ohne Science Fiction), für alle, die sich bei "Matrix" für die Pille der Erkenntnis entscheiden würden, es ist erneut "The Game", das Spiel mit Realität und Traum und es ist ein Film fürs Leben.

David Aames (Tom Cruise) ist ein Sunnyboy, ein verspielter, verwöhnter Konzern-Erbe, den nicht mal sein Aufsichtsrat vom Dolce Vita abhalten kann. ÝDem charmanten, smarten Lebemann fliegen alle Herzen zu, er revanchiert sich damit, fast alle schönen, spannenden Frauen zu lieben. Bis er auf der prominenten Geburtstagsparty in seiner wirklich traumhaft eingerichteten Wohnung Sophia (Penélope Cruz) begegnet.

Aber das ist alles nur noch ein bitter-süßer Traum, eine Erinnerung eines Mannes ohne Gesicht, der im Gefängnis hinter seiner Maske nach Erklärungen sucht. Beim Gespräch mit einem Psychologen (Kurt Russell) kommt der Unfall an die Oberfläche des Bewusstsein, der furchtbare Aufprall, mit dem Julie (Cameron Diaz) ihrem Schmerz ein Ende machen wollte. David saß auf dem Beifahrersitz und kann seitdem ohne Schminke Quasimodo spielen. Das einst strahlende Gesicht und sein Arm sind zerstört. Erst viel später, als David jede Liebe und Freundschaft aufgegeben hat, eröffnen ihm Ärzte futuristische Möglichkeiten plastischer Chirurgie. Doch mit neuen Gesicht, einem perfekten Glück an der Seite Sophies tauchen schreckliche Bilder auf. Die alte Fratze grinst aus dem Spiegel zurück, aus Sophie wird Julie. Ein labyrinthischer Alptraum tut sich auf.

Wie der innerliche Zynismus plötzlich zur äußeren Erscheinung passt, wie der verantwortungslose Playboy um eine echte Liebe kämpft und die Frage nach dem wahren Glück gehen fast unter in der Lynch-artigen Unübersichtlichkeit der Konstruktion. Doch diese gibt der moralischen Geschichte ihren zeitgemäßen Reiz und die liebevolle Gestaltung in Bild und Ton durch Cameron Crowe macht "Vanilla Sky" zum zeitlos guten Filmerlebnis. Ein Straßenzug mit Autos aus dem falschen Jahrzehnt, ein rosaroter Himmel sind Puzzleteile, aus denen er eine Scheinwelt zusammenbaut - man muss nicht gleich das Bob Dylan-Cover, den Monet-Himmel oder die Jules und Jim-Geschichte wieder erkennen, um die Irritationen zu spüren. Die bemerkenswert guten Songs sind ein Markenzeichen des Autors und Regisseurs, der mit Nancy Wilson, einer der beiden Rockerinnen von "Heart", zusammenlebt. Wilson schrieb wie schon bei "Almost Famous" den Score und einige Songs.

So reich der Film an Zitaten und Verweisen ist, so reich ist sein Entstehen an Verbindungen: Aus Tom und Penélope wurde auch hinter den Kulissen das linguistisch nahe liegende Paar Cruise/Cruz. Die Spanierin spielte schon im Original "Abre los ojos" die Rolle der Sophia und ließ öfters verlauten, sie würde jeden erschießen, der den Film ohne sie noch mal drehen würde. Cameron Crowe und Diaz haben nur den gleichen Vornamen, ansonsten keine weitere Verbindung. Crowe und Cruise drehten schon die Geschichte des Sportpromoters "Jerry Maguire" zusammen und bereits damals pflegte der Regisseur mit der passenden Musik am Set für die richtige Stimmung zu sorgen. Dann kam SEIN Film, die Verfilmung seiner musikalischen Jugenderinnerungen in "Almost Famous" mit dem Besten der Siebziger gefühlsecht umgesetzt. Und jetzt bietet der Soundtrack wieder einen besonderen Genuss. Und dann ist da noch eine feste Größe in Camerons Filmen: Jason Lee, der in "Almost Famous" den Leadsänger spielte und selbstverständlich auch Musiker ist.

So macht das im Film thematisierte "Cut'n'Paste", die Montage der Postmoderne, aus rührender Liebesgeschichte, dramatischem Schicksal, fantastischem Rätsel, Songperlen und traumhaften Stimmungsbildern einen dieser Filme, die einen doch zu einer ewigen Scheinwelt überzeugen könnten.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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