Süßes Gift

Fr 2000 (Merci pour le chocolat) Regie Claude Chabrol, 99 Min.

Süßes Gift - das sollte am Regal mit den Filmen stehen, die Claude Chabrol, der Sohn eines Apothekers und abgebrochener Pharmazeut, im Laufe der Jahrzehnte mit schönem Regelmaß realisierte. Sein neuer Krimi nach dem Roman "The Chocolate Cobweb" von Charlotte Armstrong mischt das süße Gift der Erkenntnis über das (Un-) Wesen der Menschen unmerklich in fein gezeichnete Unterhaltung.

Um eine mögliche Verwechslung kurz nach ihrer Geburt aufzuklären, taucht die junge Pianistin Jeanne (Anna Mouglalis) beim berühmten Klavierspieler Polonski (Jacques Dutronc) auf. Die Geschichte mit der möglichen Vaterschaft und einer Vererbung des Talents ist schnell gelöst. Doch eine andere Merkwürdigkeit fällt Jeanne auf, als die Hausherrin Marie-Claire - genannt Mika - Muller (Isabelle Huppert) eine Kanne Kakao umstößt. Der wachsende Verdacht Jeannes ist wie der lose Faden eines Strickwerks, der langsam ein grausames und tödliches Gespinst auflöst.

Bereits die Gespräche der kleinen Gästeschar von Mikas zweiter Hochzeit mit dem Pianisten Polonski sind - wie so oft bei Chabrol - wunderbarere Gesellschafts-Spiegel. Hier legt er schon die Fäden aus, die später zu einem (Spinnen-) Netz verknüpft werden. Wir befinden uns in Lausanne am Genfer See, da wo man sein Auto nicht abzuschließen braucht. Auch sonst gibt es keine Sorgen, weder in der Familie der jungen Pianistin Jeanne noch bei der Millionenerbin Mika. Als beide aufeinander treffen, reagiert Polonskis langsamer, ungeliebter Sohn Guillaume mit Eifersucht auf Jeanne, die mögliche "Tauschpartnerin" nach der Geburt. Mika knüpft derweil ihr Netz weiter und Jeanne immer öfter ins Haus und verwöhnt alle mit ihrer unvergleichlichen, selbstgemachten Trinkschokolade.

"Süßes Gift" ist ein sehr feiner, bitter-herber Krimi, bei dem das Mitdenken immer wieder angeregt wird. Eine Spinne verteilt ihr Gift und betäubt die Menschen ihrer Umgebung. Pianomusik begleitet diesen Film - was sonst. Der Meister Polonski und seine Schülerin Jeanne üben den Trauermarsch von Liszt ein. Wer allerdings am Ende trauern wird, bleibt offen. Allein Isabelle Hupperts Spiel ("Das Leben ist ein Spiel", "Amateur", "Malina", "Die Spitzenklöpplerin") ist diesen Film wert. Zu erleben, wie sie sich krampfhaft einen Ring abstreifen will, vermittelt mehr über ihre Figur Mika als seitenlange Dialogsätze. Wobei das französische Original die Feinheiten der sparsamen Dialoge von Chabrol weitaus besser genießen läßt. Die junge Schauspielerin Anna Mouglalis ("Terminale") und der charismatische Jacques Dutronc ("Van Gogh", "Sweatheart") vollenden diese zart-bittere Krimi-Komposition.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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