ghj-logo

Shall we dance

Japan 1996 (Shall we dance) Regie und Buch Masayuki Suo, 135 Min.

So wie es selbst Ehepaaren nicht ziemt, sich in Japan in der Öffentlichkeit zu umarmen, ist es dort auch völlig unschicklich, einen klassischen Paartanz auf's Parkett zu legen. Das erzählt der Film zur Einleitung bevor er zum wunderbar komischen und anrührenden Tanzvergnügen einlädt.

Shohei Sugiyama, ein ausgebrannter, von sich selbst entfremdeter Angestellter, wird auf der alltäglichen Heimfahrt vom Anblick einer fremden Frau am Fenster gefangen genommen. Fasziniert steigt er an der betreffenden U-Bahn-Haltestelle aus, wartet und wartet, bis er die Frau tatsächlich wiedersieht und entdeckt, daß sie eine Tanzschule leitet. Nun kostet es ihn einiges an Überwindung, sich in die Schule zu trauen und bereits diese Mischung aus Neugierde, Unsicherheit und verlegener Tapsigkeit bereitet stilles Vergnügen.

Der bislang verschlossene Shohei erzählt seine erfreuten Frau, er würde jetzt öfter mit Kollegen essen gehen und meldet sich zum Tanzkurs an. Zuerst beginnen die Neulinge mit Tai Chi-artigen Einzelübungen bevor sie an einen Partner herangelassen werden. Die Gruppe aus unserem stillen Helden Shohei, einem kleinen, albernen Streber und dem trägen Dicken bietet einen unvergleichlichen Anblick voll abwesender Anmut. Shoheis Blick jedoch wandert immer wieder auf die andere Seite des Übungsraums, wo die grazile Schulbesitzerin in einer anderen Sphäre schwebt.

Tanzend kommt Schwung in Shoheis neues Leben. Heimlich treffen sich die Tanzfreunde in abgelegenen Clubs, um ihrer Leidenschaft zu frönen. Aber selbst im Alltag können sie sich nicht zurückhalten und tänzeln durch den Büroflur. Tanzen ist wie eine Droge und macht süchtig. Selbst die Detektive, die Frau Shohei losschickt, um die vermeintliche Affäre ihres Mannes aufzudecken, werden angesteckt. So ist die Geheimniskrämerei komplett und der Weg frei für ein klärendes Finale beim großen Tanzturnier.

"Shall we dance" ist ein sehr allgemeinverständlicher Japaner und erreicht weltweit Herz und Lachmuskeln ohne daß - wie bei Sushi-Röllchen - Berührungsängste im Wege stehen. Der mit 13 japanischen Auszeichnungen bedachte Traum von einem Film vermittelt unbändig Spaß und Lebensfreude. Dabei ist das Tanzen zwar nur eine Metapher, aber wie schon bei "Strictly Ballroom" beschert das Zusammenspiel eleganter Bewegungen und filmischen Könnens besonderen Augen- und Ohrenschmaus.

Die Quellen des direkt zu Herzen gehenden Humors von "Shall we dance" sind vielfältig. Nicht nur während der Übungsstunden, auch etwa beim Gespräch von Frau Shohei und Tochter über die seltsame Wandlung ihres Mannes muß man schmunzeln - mit den Menschen. Denn diese Aufforderung zum Tanz macht seine Figuren nicht lächerlich. Selbst der langhaarige Showhansel, der japanische Latinoverschnitt Rumba-King hat seine Gründe und eine empfindliche Seele.

"Shall we dance" tanzt gegen den in Japan wohl noch erdrückenderen Ernst des Arbeitsalltags an und befreit Shohei von seiner bleiernen Lethargie. Aber der Rumba-King Tomio Aoki führt vor, daß man sich auch diesen Spaß mit Hochleistungs-Streß vermiesen kann. Letztlich geht es auch ganz einfach um das Vertrauen in den Partner - im Tanz und in der Ehe. So ist "Shall we dance" thematisch eher "Tango Lesson" verwandt, aber als spaßiger Genreableger die beste Paarung zu "Strictly Ballroom".

Auf die Frage des Titels "Sollen wir tanzen", der "The King and I" zitiert, kann man immer wieder nur mit JA antworten!


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

realisiert durch
Ein Service von
arena internet service
FILMtabs-Logo