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Ponette

Fr 1996 (Ponette) Regie und Buch Jacques Doillon, 97 Min.

Ein vierjähriges Mädchen als beste Darstellerin auf einem internationalen Filmfestival? Die Auszeichnung für Victoire Thivisol in Venedig 1996 stellt einer der leichteren Frage dieses in vieler Hinsicht wunderbaren Films.

Die Geschichte ist so einfach wie schrecklich: Bei einem Autounfall stirbt die Mutter von Ponette (Victoire Thivisol). Das Mädchen kommt mit einem gebrochenen Arm davon, Trauer und Sehnsucht nach der Mutter schmerzen jedoch wesentlich stärker. Vom berufstätigen Vater untergebracht bei einer Tante, sucht Ponette in phantastischen Zwiegesprächen mit der Mutter und in kindlichen Formen der Religiosität einen Ausweg aus der unendlichen Trauer. Ihre Cousins spielen Wiederauferstehung mit den "magischen Worten" von Jesus. Im Kindergarten behauptet Ada hinter strengen Brillengläsern, sie sei Gottes Tochter und startet eine diktatorische Religion. Während die Erwachsenen sich um die seelische Verfassung des Kindes sorgen, macht es sich selbst Vorwürfe wegen des Todes der Mutter. Eine Kapelle im Landinternat bietet Raum für besondere Gebete. Doch das Unglaubliche, das Wunder vollbringt schließlich der Film selbst.

Die Tränen des Mädchens rühren und irritieren gleichermaßen in extremer Weise. Aber sagt ein Kind "Ich will für immer verschwinden"? Nein, es sind meist Gedanken und theologische Fragen von Erwachsenen, die sich hier in den Worten und Gesichtszügen eines Kindes abspielen. Und doch sind es Menschen aus Fleisch und Blut, keine Kunstgestalten, die all dies erleben.

Daß Jacques Doillon sich wegen der ungewöhnlichen Filmarbeit mit einer Vierjährigen erklären muß, ist nur folgerichtig, denn schon immer machte er ungewöhnliche Filme mit Jugendlichen und Kindern zusammen. Ob es um junge Liebeswirren ging ("Eine Frau mit Fünfzehn"), um Selbstmord ("Le jeune Werther") oder um den "Kleinen Gangster". Dabei gewann er in extremer Konzentration auf seine Schauspieler, die ihre Figuren stark mitbestimmten, ungewöhnliche Blicke auf existenzielle Gefühle und Gedanken. "Ponette" kann in dieser Reihe wegen seiner metaphysischen Themen durchaus als Höhepunkt bezeichnet werden. Wie delikat diese Arbeit ist, zeigte schon der nächste Film nach "Ponette": "Viel (zu wenig) Liebe" überspannt das Verhältnis zwischen einem Regisseur und einer jungen, ihn vergötternden Drehbuchautorin in den Bereich der Peinlichkeit.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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