Petits frères

Fr 1998 (Petits frères) Regie Jacques Doillon, 92 Min. FSK ab 12

Talia, ein starkes, vierzehnjähriges Mädchen versucht ihre kleine Schwester vor der Mißhandlung durch den Stiefvater zu schützen. Sie kämpft mit ihm, haut ab, sucht Unterschlupf in einer mißratenen Hochhaussiedlung der Banlieue, den Randbezirken von Paris.

Am nächsten Morgen ist ihr schmusiger Pitbull-Terrier Kim verschwunden. Talia sucht ihn, ein entschlossener Blick bringt ihr schnell den Spitznamen (Mike) Tyson ein. So helfen sogar die Kids, die den Hund stahlen, bei der Suche mit und der arabische Junge Iliés wird zum guten Freund.

Im schnellen, an die begleitende Rap- und HipHop-Musik (Oxmo Puccino) angelehnten Schnitt, tritt hier der Alltag glaubwürdig und erschreckend nahe auf: Wenn man eine Waffe braucht, werden schnell ein paar Fahrräder geklaut und verscheuert. Eine ehrliche und sehr einfühlsame Innenaufnahme. Nicht didaktisch, sondern frech und treffend in vielen Szenen.

Das Viertel, das "Projet", die "Cités", diese Häuserburg aus sozialem Horror gebiert in einem wunderbar ehrlichen Film Momente der Solidarität und Poesie. Es sind "kleine Gangster", doch man ist eindeutig auf ihrer Seite, fiebert mit, wenn die Jungens einen Gemüsetransporter klauen und den Inhalt wie Robin Hood in der Wagenburg der Häuser verteilen. Doch während sie ganz bürgerliche Zukunftspläne schmieden, läuft die Rolltreppe, auf der sie stehen, in entgegen gesetzter Richtung. Das grausame Aufhetzen des schmusezahmen Hundes ist in seiner übertragenden Bedeutung schockierend: Hier werden die Kids so wild und mörderisch gemacht, dass sie sich am Ende im Hass selbst zerfleischen.

Für das Gelingen sorgt - wie so oft bei Doillons "Kinderfilmen" - eine atemberaubend gute jugendliche Darstellerin, diesmal Stéphanie Touly. Jacques Doillon setzt damit nach "Ponette", dem Meisterwerk zur kindlichen Trauer, die mit jungen Menschen eng zusammen erarbeiteten Jugend-Porträts fort: "Der kleine Gangster", "Der junge Werther", "Eine Frau mit 15" - immer wieder schafft der Franzose das Unmögliche, er nimmt die Kinder ernst, leitet sie sicher durch die technische Produktionsmaschinerie Film zum Publikum.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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