Der Mann ohne Vergangenheit

Finnland/BRD/Fr 2002 (Mies vailla menneisyytta) Regie: Aki Kaurismäki Mit: Markku Peltola, Kati Outinen, Annikki Tähti 97 Min.

Kleine Leute, große Gesten

Der neue Aki Kaurismäki adelt einen einfachen Mann, der sein Gedächtnis verliert, in einer einfachen Geschichte mit viel trockenem Humor.

Ein Mann kommt in Helsinki an, wird zusammengeschlagen und verliert jede Erinnerung. Kaurimäkische Lakonie schlägt wortarm zu, wenn man den schwer Bandagierten auch noch ausgeraubt und er fast ertrinkt. Doch ganz unten in der Gosse am Hafenbecken schlägt das Herz der einfachen Menschen. Die Familie in der Container-Siedlung hat sich im Stile eines anrührenden Chaplin-Stummfilms eingerichtet und nichts zu essen. Doch das teilt sie gerne mit dem namenlosen Fremden, päppelt ihn wieder auf, besorgt ihm sogar einen eigenen Container. Die Bedingungen des Vermieters sind zwar knallhart, doch der kleine Kläffer, mit dem den Drohungen Nachdruck verliehen wird, ruft nur Schmunzeln hervor.

Mit Durchhaltewillen, Bastlerfantasie und Nachbarschaftshilfe unter den Ärmsten richtet sich M ein, kommt aus der Gosse hoch und verliebt sich in die Heilsarmistin Irma (Kati Outinen), bei der er einen Job bekommt. Jetzt überschlagen sich die Ereignisse - mit der für den nie nüchternen, aber immer nüchtern erzählenden Finnen Kaurismäki eigenen Langsamkeit: M entdeckt, wer er ist und dass er eigentlich verheiratet war, aber mittlerweile auch zum Glück bereits geschieden.

Aki Kaurismäki ("Das Leben der Boheme", "Juha", "Leningrad Cowboys Go America") schafft es in "Der Mann ohne Vergangenheit" wieder, mit seinem eigenen, trockenen Stil zu unterhalten. Nur wenige beherrschen die Kunst der Auslassung derart genial. Kaurismäki zeigt nur das Nötigste, so überrascht fast jeder Schnitt mit einer inhaltlichen und formalen Pointe. Die stoischen Figuren verziehen kaum mal eine Mine, doch ihre Gesten sind pures Kino: Da gibt es nichts Realistisches, erst mal an der Zigarette ziehen, bedeutungsvoll blicken und dann eine gewichtige Nichtigkeit äußern.

Bemerkenswert, wie sich Kaurismäki auf die Seite der "kleinen Leute" schlägt, seine Handlung unter Obdachlosen spielen lässt und ihnen die gleiche filmische Würde angedeihen lässt, die größte Stars meist in weltfremden Kinomärchen genießen. Der berühmteste finnische Regisseur Aki Kaurismäki macht aus dem Zusammenspiel kleiner Helden und großer Gesten eine harmonische Einheit: Sein "Mann ohne Vergangenheit" ist eine Hymne für den "Working Class Hero", oder ganz realistisch: den Arbeitslosenklassen-Kämpfer. Dieser trockene Humor wird viele Kaurismäki-Fans wieder ins Kino locken und kann jüngere Zuschauer mit einer selten gewordenen Erzählqualität fesseln.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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