Leo und Claire

BRD 2001 (Leo und Claire) Regie Joseph Vilsmaier, 103 Min. FSK ab 12

Selten wirkt die Mär von der "wahren Geschichte" so nachhaltig wie bei der scheinbar nebensächlichen Affäre von Leo Katzenberger, die ihm im Nazi-Regime aufs Schafott bringt. Joseph Vilsmaier kann nach "Comedian Harmonists", "Stalingrad" und "Marlene" endlich wieder mit einem historischen Stoff interessieren.

Leo Katzenberger (Michael Degen) ist 1938 Schuhgroßhändler in Nürnberg, der Stadt der Parteitage. Der galante Mann von Welt lebt mit seiner Familie und seinen Mietern im Mikrokosmos eines Hinterhofes, der lange, ein kleines, harmloses Welttheater für den Film abgibt. Als die fesche und forsche Fotografin Irene Scheffler (Franziska Petri) auftritt, fesselt sie mit roten Haaren und russische Augen alle Aufmerksamkeit. Leo begrüßt sie freundlich, erlässt ihr später die Miete, umwirbt sie und Liebe bringt beide für kurze Zeit einander nahe. Die frustrierte Männlichkeit des Hofes neidet sehr, lästert auch über die schlechten Mietbedingungen beim "Schuhjuden" Katzenberger. Aber alles geht seinen gewohnten Gang, vor allem als Leo zur seine geliebten Frau Claire heimkehrt.

Noch als 1941 eine Tochter Leos längst in Jerusalem ist, die Katzenberger Gewalt der SA am eigenen Leib erleben mussten, die Wohnung und alle Werte der Katzenbergs enteignet wurden, wartet man auf das Ausreisevisa. Ein nichtiger und neidiger Anlass führt jedoch zur Verhaftung von Leo und Irene, zur Vergewaltigung im Verhör und schließlich zur Farce eines Prozesses, der mit Todesstrafe wegen "Rassenschande" endet.

Vilsmaier realisierte "Leo und Claire" nach der Dokumentation "Der Jude und das Mädchen" von Christiane Kohl mit einem sehr guten Ensemble. Und auch wenn die Kulissen zu sehr noch Kulissen aussehen, viele Momente zu sehr an bekannte Naziunrecht-Filme erinnern, ist das Todesurteil das unerhörte Moment, von dem aus diese Geschichte ihr emotionales Gewicht erhält.

Die Normalität mit zunehmenden Antisemitismus könnte noch Komödie von Woody Allen sein. Das unglaubliche Unrecht, das in Gewalt und Gesetz daher kommt, ist Vilsmaier'scher Historienfilm. Doch im Verlauf der Verhandlung vor einer Art Volksgerichtshof gewinnen Fassungslosigkeit und Erschrecken die Oberhand. Der keifende Richter (der im neuen Deutschland nur kurz ins Gefängnis musste) und der rachsüchtige Staatsanwalt (der in der BRD weiter wirken durfte), die kleinen Neider und ein absurder Rassengedanke werden so abschreckend präsent, dass man "Leo und Claire" weiter empfehlen muss.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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