Lawn Dogs

USA 1997 (Lawn Dogs) Regie John Duigan, 101 Min.

In einem fremden Land lebte einst ein Mädchen mit Mutter undVater. Ihr Dorf war von einer hohen Mauer umgeben, vor der eingroßer dunkler Wald lag. Hier lebte Baba Yaga, der Hexer. BabaYaga hatte eiserne Zähne, mit denen konnte er Bäumedurchbeißen. Seine Beine waren Hühnerbeine. Und eraß kleine Mädchen zum Abendessen. Aber innerhalb der Mauerwar das Mädchen in Sicherheit ..."

Wie im Märchen umrundet die gut bewachte Siedlung CamelotGarden eine hohe Mauer. Darin leben Modellbürger in einerModellstadt. Auch die Eltern der zehnjährigen Dev zogenkürzlich hierher, doch Dev ist anders. Sie steht unter enormenLeistungsdruck: schon beim Verkaufen von Pfadfinderinnen-Kekse sollsie die Beste werden. Dev hatte Schwierigkeiten mit ihrem Herzen.Eine riesige Narbe auf der Brust und eine Neugierde für andereVerletzungen zeugen von einer schweren Zeit. Doch sie hätten ihrdas Herz auch gleich ganz herausnehmen können, in dieser Festungder engstirnigen Ignoranz wird sie es nicht brauchen. Aber sie istein tolles Mädchen, läßt Supersprüche los: "Idon't like kids - they smell like TV!" Neugierig marschiert siegleich durch das Tor in den Wald. Sie läßt dieMädchenschühchen zurück, erzählt sichMärchen von Baba Yaga und entdeckt einen verwilderten Wohnwagen.

Dev muß selbstverständlich von dem einzigen normalenMenschen angezogen sein, der in der Siedlung herumläuft. Derheißt Trent und arbeitet als Lawn Dog. Lawn Dogs nennen diereichen Idioten der Siedlung die Hilfsarbeiter und Gärtner, dieihre Anwesen blitzsauber halten. Zu den "Nichtmenschen" gehörenauch die "Flußraten" oder die "Latinos".

Nach der Arbeit blockiert Trent schon mal eine schmaleBrücke, um sich mit einigen formvollendeten Saltos nackt ineinen kalten Fluß zu stürzen. Die zum Warten gezwungenenFrauen vergehen vor Begeisterung. Die junge Pam dringt auch zu TrentsWohnwagen vor, möchte aber nicht aber mit ihm in derÖffentlichkeit gesehen werden. Denn die Menschen dieser Siedlungsehen nur Jobs, Einkommen und Konten.

Dev und Trent sind nicht nur anders, sie teilen auch einegemeinsame Lust an kleinen Gemeinheiten: Dev backt eine Fliege in diePfadfinderinnen-Kekse ein. Trent fährt gerne mal mit demRasenmäher über Plastikenten in der Grasnarbe besondersekliger Kunden. Und beide haben Verletzungen erlitten. Dev hat einelange Narbe auf der Brust, Trent die Einschußlöcher voneiner Auseinandersetzung mit reizbaren, schlagenden Polizisten.

Jetzt freunden sie sich an, stehlen zusammen ein Huhn und sindglücklich. Doch es ist extrem gefährlich für einen soaußergewöhnlichen, provozierend tollen Menschen wie Trent,ein kleines Mädchen zu treffen.

Das "Lolita"-Problem, daß ein junges Mädchen nicht miteinem älteren Mann gesehen werden darf, befreundet sein darf,ist in "Lawn Dogs" immer anwesend. Die Päderasten-Diskussion istso angespannt, daß keine Differenzierung mehr möglich ist.Wirklich schlimm und beängstigend sind die ehrhaften Mitgliederder Gemeinschaft: ein schießwütiger Knirps, ein bösverklemmter Schwuler, ein Macho, der an Kindern rumfummelt, dieRegierung, die Trents Vater im Koreakrieg mit verseuchten Dosentödlich erkranken ließ. Unter der Oberfläche brodelnextrem spannende Dinge.

Nicht nur das Märchen einer amerikanischer Kindheit imPuppenhaus und davor, auch die originellen Zeichnungen der Personen,die kleinen witzigen und treffenden Ereignisse und die wunderbareGeschichte machen "Lawn Dogs" zu einem Film für's Herz in derKategorie von "Harald & Maude" oder "Edward mit denScherenhänden". Ganz besondere Menschen zeigen mit ihrerEinzigartigkeit den Alptraum des bürgerlichen Graus auf. DieSpanne zwischen der sterilen Wohnung bei Devs Eltern und derlebendigen Siedlung von armen Trents Eltern wird durch unzähligbewegende, spaßige und anrührende Momenteüberbrückt. Es ist gemein, daß solch schöneFilme und Situationen immer von kleinkarierten Idioten zu einemtragischen Ende gebracht werden - mag sich auch Regisseur John Duigangedacht haben und zaubert doch noch etwas Versöhnliches herbei.

Bislang realisierte der in Australien lebende EngländerDuigan sehr verschiedenartige Filme: Der engagierten Geschichte desPriesters "Romero" (1989) folgte dermißglückte Erotikthriller "Saragasso Sea - Im Meer derLeidenschaft" (1993) und die seltsame"Verführungder Sirenen" (1994). Zuletzt führte Duigan beim Jon BonJovi-Vehicel "Leading Man" Regie.

Mischa Barton ist als Devon eine tolle Entdeckung ausLebendigkeit, Spielfrische und Charme. Sam Rockwell ist eine mehr alsideale Besetzung für die Rolle Trents. Schon in"Box of Moonlight" lebte"er" in einem (halboffenen) Wohnwagen am Rande der Gesellschaft undhatte sehr eigene Ansichten über das Leben.

 


Eine Kritik von Günter H.Jekubzik

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