Himalaya - Die Kindheit eines Karawanenführers

Fr/Schweiz 1999 (Himalaya, l'enfance d'un chef) Regie Eric Valli, 110 Min.

Im wilden Galopp rast eine Herde durch die Steppe, kaum zu halten von den Männer mit ihren Lassos. Die Tiere stürmen durch Bachläufe, über Büsche, überspringen die Kamera ... Ein Western, klar! Wenn die rasenden Steaks nicht so ungewöhnlich aussähen und Salzpakete auf dem Rücken hätten ... Der spannende, ethnologische Eastern "Himalaya" fesselt mit exzellentem Handwerk und atemberaubenden Landschaften des Fotografen und Dokumentarfilmers Eric Valli: Großartige Bilder wogender Weizenfelder, ziehender Yak-Herden, enorme Tiefe zur eindrucksvollen Breite des Cinemascope, gewaltige Bergpanoramen. Die Kamera verwöhnt mit gewagten Perspektiven, lebendigen Wechseln von nah nach fern, von groß zu klein.

Der dazu passende menschliche Konflikt um den Generationswechsel scheint dabei so alt wie die Steinriesen selbst. Traditionelle Rituale bestimmten den Aufbruch des mühsamen und gefährlichen Salztransportes. Ein Schamane berechnet nach dem Stand der Sterne das beste Datum. Doch der wilde, junge Karma bricht zum Entsetzen der Alten vor dem festgelegten Tag auf. Das Dorf teilt sich im Streit und einige Tage später folgt der greise Führer Tinle mit einer Senioren-Karawane. "Das Salz spricht nicht", das heißt, die Zeichen stehen auf Sturm. Aber auch Ehrgeiz treibt den alten Tinle zu einem Wettrennen an. Er schlägt den "Weg der Dämonen" ein, vorbei an den steilen Abgründen eines unbeschreiblich blauen Sees, über sturmverschneite Pässe hinweg.

In fünftausend Meter Höhe, im Nord-Osten des nepalesischen Himalaja, liegt das Dolpo. Schon der Dokumentarfilm "Die Salzmänner von Tibet" zeigte das Leben solcher Salzmänner wie Tinle und Karma. Der französische Fotograf Eric Valli kennt Land und Leute durch seine Reisen für zwei Dokumentarfilme und mehrere Bildbände. Bei aller Begeisterung für das von Ethno-Pop begleitete, großartige Abenteuer - "Himalaya" gewann 1999 in Locarno den Publikumspreis - bleibt angesichts glänzender Zahnreihen, der schönen, gesunden Menschen und der sehr universalen Thematik die Frage, inwieweit es ein französischer oder ein authentischer Film ist. Zwar waren alle bis auf eine Frau Laiendarsteller - was man dem Film nicht ansieht! Doch das westliche Auge findet im Bild und im Drama irritierend viel Bekanntes. Wie der klassische Viehtrieb beim Western ziehen die Yaks vor der Kamera her. Wie im Hollywoodfilm zeigt sich ein wahres Oberhaupt erst als Rebell. Geradezu alttestamentarisch ist der Tod des alten Führers kurz vor dem Ziel.

Immerhin eröffnet "Himalaya" diese Welt ganz anderen Publikumsschichten als ein "schwieriger" Dokumentarfilm wie die "Salzmänner". Genau wie "Philadelphia" die streichzarte Aids-Hinführung war, ist "Himalaya" das weit geöffnete Herdengatter für den Blick in die abgelegene Fremde.

http://www.arthaus-filmverleih.de/filme/himalaya/main_himalaya.htm

* Der Bildband von Eric Valli - Bilder aus Nepal

* Noch mehr Bilder von Eric Valli

* Der Soundtrack zum Film


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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