Philadelphia

USA 1993, Regie: Jonathan Demme, 122 Min.

"Philadelphia" ist die bislang größte Produktion Hollywoods, die Aids thematisiert. "Philadelphia" ist irgendwie die Spitze eines Eisberges: Wunderbar anzusehen, sehr eindrucksvoll und bewegend, aber halt nur eine ganz kleine Teil-Ansicht. Andrew Beckett (Tom Hanks), der aufstrebende Anwalt, ist der aidskranke Held in "Philadelphia". Plötzlich aus der Kanzlei 'rausgeworfen, kämpft Andy vor Gericht gegen die vermutete Diskriminierung aufgrund seiner - lang verheimlichten - Krankheit. Die wichtige Identifikationsfigur des Films ist der windige Anwalt Joe Miller (Denzel Washington). In seinen unsinnigen Ängsten vor einer Ansteckung durch Händedruck, in seinen vorsichtigen Annäherungen, mit seiner keusch wachsenden Freundschaft sammelt er das breite Publikum. Millers Lernprozeß bewegt diesen rundum gelungenen Film von Jonathan Demme ("Schweigen der Lämmer"), Washington bringt auch die komischen Aspekte ein. Eine wunderbare Szene stellt den Moment des größten Verständnisses dar: Andy erklärt seinem 'Kollegen' die von Maria Callas gesungene Arie 'La Mamma Morta'. Dieser bewegendste Moment, die Liebe Andys zum Leben, zur Schönheit, zur Kunst ist eine große Filmoper aus Licht, Musik und Montage.

Danach bleibt unwichtig, ob heimtückische Sabotage oder doch Schlamperei von Andy Grund für die Entlassung war. Auch der Sieg der Gerechtigkeit ist kein Triumph, eher der herzliche Trauerkreis aus Freunden und Familie, den nicht mehr interessiert, welche sexuelle Orientierung man lebt. Sehr angenehm vermieden es Demme und der Autor Ron Nyswaner, Extreme gegeneinander auszuspielen und üblichen Klischees nachzueifern. "Philadelphia" bringt so differenzierte Fragen ins Gespräch: Ist Aids eine Behinderung? Was soll die Unterscheidung zwischen 'unschuldigen' und 'schuldigen' Infizierten?

Wie breitenwirksam "Philadelphia" ist, mit allen Vor- und Nachteilen, zeigt der Vergleich mit Derek Jarmans "Blue". Beide Aidsfilme haben eine Szene, die schockierend einfach schildert, daß bei den Patienten aufgrund der andauernden Behandlungen kein Platz mehr für einen Nadeleinstich in den Arm ist. Jarman allerdings, letztes Wochenende an Aids verstorben und vorher fast vollständig erblindet, gibt die Szene als Erzählung, während über 74 Minuten nur eine blaue Leinwand zu sehen ist - die ergreifend konsequente Umsetzung nur einer Facette von Aids.

PS: Auch ich würde für den Oscar auf Tom Hanks wetten. Seine Leistung besteht nicht nur darin, die Rolle eines aidskranken Homosexuellen übernommen zu haben, er zeigt diesen auch als wunderbaren, liebenswerten Menschen.

PPS: Eine (auch stilistisch) herausfallende Einstellung beginnt an der Tür der Männertoilette und fährt von dort aus in den Gerichtssaal hinein. Was wollte sie uns bloß sagen?


Eine Kritik vonGünter H.Jekubzik

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