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Gent: Kinokultur im Multiplex?

Mit einem Zuschauerrekord feierte das 25. InternationaleFilmfestival von Flandern in Gent Mitte Oktober sein Jubiläumund zielt im stetigen Wachstum auf eine internationale Position. Seitder 7. Ausgabe ist "Musik" Thema des Festivals. Ronnie Pede -Chefredakteur der durch die "Katholieke Filmliga" herausgegebenenZeitschrift "Film & Televisie" - programmierte einendokumentarischen Ansatz: Filme über und mit Musik. Späterbrachte der heutige Programmdirektor Walter Provo die begleitendeFilmmusik ins Zentrum der Aufmerksamkeit. So gewannen dieses JahrSimon Fisher Turner und Ahrin Mishan mit "Claire Dolan" den GeorgesDelerue-Preis für den Besten Einsatz von Musik. Der Moment, abwann Musik im Film eine bedeutungsvolle Rolle spielt, ist jedochschwer zu finden. Deutlicher betonen Eventswie Filmkonzerte, Stummfilme mit Livebegleitung und Seminare denSchwerpunkt.

In der Geschichte des Festivals war die Eröffnung desDecascoops 1981 ein Einschnitt, ebenso wie dieses erste Multiplex mitzehn Sälen eine Wende in der Kinokultur bedeutete. Nach demUrmuster Gent folgten in den nächsten Jahren Brüssel undAntwerpen mit den jeweils größten Kinokomplexen der Welt.Von allen Beteiligten wird betont, daß der marktbeherrschendeKinepolis-Konzern nur ein Sponsor sei und eine von dreiSpielstätten des Festivals biete. Er war vor allem in denAnfangsjahren am kulturellen Imagegewinn interessiert. Jetztverdrängt das Festival in vier von mittlerweile 12 Säleneinträchtige Erfolgsfilme und am Wochenende kommt sich derFestivalgast in den Mainstream-Mengen verloren und verschoben vor. Zuhoffen ist, daß eine zukünftige Multiplex-Berlinale amPotsdamer Platz mehr Festivalcharakter hat. Das komplett vom Festivalbespielte Pathé in Rotterdam stellt ein positivesGegenbeispiel dar.

Gent beeindruckt nicht mit internationalen Premieren.Festivaldirektor Jacques Dubrulles muß realistisch undbescheiden bleiben in der terminlichen Umgebung von San Sebastianoder Montreal. Die Gäste, die 1998 anläßlich dreierHommages eingeladen waren, haben sicherlich internationalen Rang:AlainResnais, Shohei Imamuraund Robert Wise, der wegen einer Erkrankung nicht kommen konnte. Im"Filmspectrum", seit 25 Jahren das Konstante des Festivals, laufenvor allem Filme, die (bislang) keinen belgischen Verleiher haben. Inden ersten Jahren wurde diesen teilweise aus England, Frankreich undden Niederlanden nach Gent geschmuggelt. Heute kommen die unbekanntenWerke eher ins Fernsehen als ins belgische Kino. Auch für Gentist es schwierig, überhaupt noch Entdeckungen zu finden. EineReihe einheimischer Produktionen stellt sich beim größtenFestival Belgiens ausländischen Gästen vor - leider nichtmit dem Komfort einer qualitativen Vorauswahl. Da Filmkäufernicht in nennenswerter Anzahl anwesend sind, erscheint dies nichtlohnend. Allesdings wurde etwa Marion Hänsel hier 1982 mit "Lelit" entdeckt - der Film war diesjährig in einer Retrospektivemit Festivalhöhepunkten zu sehen. Auch ihre weiteren Filme"Dust" und "Barbarische Hochzeit" fanden in Gent ihre Premiere. Zuden belgischen Entdeckungen 1998 gehört unbedingt derflämische Erstling "Rosie" der knapp dreißigjährigenPatrice Toye. Die wie unter Rauhreif gefilmte Story der13-jährigen Rosie, die einer emotional schwierigen Realitätmit Alltags-Phantasien entflieht, erhielt den Regiepreis. "PureFiction" des Wallonen Marian Handwerker ließ dieskandalösen und erschreckenden Ereignisse um den belgischenKindesentführer Dutroux in einen ergreifenden aber bewußtnicht spekulativen Film einfließen.

Die CD-ROM mit demKatalog des Festivals!


Eine Kritik von GünterH. Jekubzik

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