Der Boxer

Irland 1997 (The Boxer) Regie Jim Sheridan, mit Daniel Day-Lewis,Emily Watson, Brian Cox, Ken Stott, Gerard McSorley, CiaranFitzgerald, 110 Min.

Acht Jahre nach "Mein linker Fuß", der sensiblen undbewegenden Lebensgeschichte eines Behinderten in Dublin, undfünf Jahre nach"Im Namen desVaters", der engagierten Anklage gegen die Siegerjustiz derBriten, verfilmt der Autor und Regisseur Jim Sheridan erneut eineirische Geschichte mit dem brillanten Schauspieler Daniel Day-Lewis.

Danny Flynn (Daniel Day-Lewis) saß 14 Jahre imGefängnis für ein IRA-Attentat, daß er im Alter von18 Jahren beging. Doch die Frauen der Inhaftierten sind in diesemFilm die eigentlichen Gefangenen von Politik und angespannterDurchhalte-Moral. In einer Gemeinschaft, die sich selbst intensiverbeobachtet als den Gegner, ist den "heldenhaften" Frauen derGefangenen nicht der Hauch eines emotionalen Kontaktes zu anderenMännern erlaubt. So beginnt der Film mit einer Hochzeit imGefängnis und einem Toast auf die Frauen der Gefangenen.

Der Gemeinschaft mit ihren strengen Regeln steht derEinzelgänger Danny gegenüber. Im Gefängnis mied er dieSolidarität der IRA-Kämpfer und konzentrierte sich aufseine Leidenschaft, das Boxen. Nach der frühzeitigen Entlassungwegen guter Führung, bricht er die zugemauerte Wohnung auf,obwohl alle von ihm erwarten, daß er Belfastverläßt. Danny und Maggie (Emily Watson) liebten sich vor14 Jahren und noch heute, obwohl er ihr kein Treuegelöbnisabverlangt hat und sie seinen besten Freund heiratete, erzähltein einziger Blick der beiden mehr von Liebe, als meterweiseStandard-Romantik. Doch auch Maggie ist mittlerweile die Frau einesGefangenen ...

Danny baut im Gemeindezentrum den alten Boxring auf und beginntdas Training. Ihm geht es um das Boxen, doch Harry (Gerard McSorley),der IRA-Leutnant des Bezirks, befürchtet Rache. Und weil geradeein Waffenstillstand für Verhandlungen verkündet wurde,empfindet der Kriegstreiber, die explizit für Katholiken undProtestanten offenen Box-Veranstaltungen als Provokation.

Ansonsten hält "Der Boxer" sich politisch bedeckt. Joe Hamill(Brian Cox), der Führer der IRA, bietet Frieden für dieFreilassung ihrer politischen Gefangenen an. Nur ein Untergebenerführt seinen persönlichen Krieg weiter. "Der Boxer" stelltdie Sache der IRA nicht in Frage, er deutet den inneren Konflikt derFreiheitskämpfer in Zeiten von Friedensverhandlungen an: DerGraben trennt nicht die protestantischen Briten von den katholischenIren, die Entscheidung fallen zwischen den verbitterten Kämpfernund den verzweifelten Friedenswilligen.

So wird der Konflikt vereinfachend auf den Kriegstreiber Harryreduziert. Wieviel intensiver, detaillierter und genauer war da zumBeispiel "Mutter und Söhne". Die Punkte macht "Der Boxer" vorallem in der allgemeinmenschlichen Ecke: Wie Boxing Romeo und Juliasind Danny und Maggie durch ein unmenschliches Gesetz getrennt.Eindrucksvolle Bilder zeigen die Mauer zwischen den Stadtteilen, dieFeindlichkeit der anderen Seite, die dauernde Kontrolle. Der Filmkonzentriert sich auf diese Tragödie und verliert sich ineinzelne Problematiken. Die Angst von Maggies Sohn Liam, die Mutteran den anderen Mann Danny zu verlieren, muß ernsthaft alsAuslöser für ein vernichtendes Feuer herhalten. Liegen dieGründe nicht vielleicht doch irgendwo anders? Am Endemüßte alles gut werden, da der Bösewicht stirbt, dochso einfach scheint es dann doch nicht zu sein.

Immerhin erzählt "Der Boxer" gut, die Vergangenheit wird ganzbeiläufig mit erfaßt, das Geschehen ist exzellent gefilmt(Kamera: Chris Menges). Daniel Day-Lewis und die für"Breaking the Waves"mehrfach ausgezeichnete Emily Watson gehören zu den bestenDarstellern, die man zur Zeit auf die Leinwand bekommen kann.

Das Boxen an sich wird nicht glorifiziert, es funktioniert alsaustauschbarer Platzhalter für einen anderen Kampf. Sehrschön zeigt dies Dannys Box-Auftritt in London: Vor einerdekadenten Kulisse boxt der exotische Ire gegen einen exotischenGhanesen zum Vergnügen sektschlürfender Snobs. Diesensinnlosen Gladiatorenkampf beendet Danny mit heruntergelassenenFäusten.


Eine Kritik von Günter H.Jekubzik

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