ghj-logo

Alice & Martin

Fr/Sp 1998 (Alice & Martin) Regie André Téchiné, 126 Min.

Eine Mutter bringt ihren Sohn nach Jahren der Alleinerziehung zum Vater. Wir sehen noch, wie der Junge vergebens versucht, mit einer eingebildeten Krankheit wegzukommen und schon sind zehn Jahre vergangen. Martin ist immer noch da, als getriebener junger Mann stürmt er aus dem Gartentor, versteckt sich in der Wildnis, wird beim Klauen erwischt und taucht irgendwann bei seinem Halbbruder Benjamin (Mathieu Amalric) in Paris auf. In dessen Wohnung trifft er jedoch nur die Mitbewohnerin Alice (Juliette Binoche) an. Das Übliche ist undramatisch: Die strenge Violinistin ist zuerst verwirrt vom seltsamen Kauz Martin, dann zögerlich auf typische Binoche-Art und gibt sich schließlich leidenschaftlich seinem beständigen Werben hin. Benjamin ist schwul, doch die Intensität der Beziehung von "Alice & Martin" macht selbst ihn eifersüchtig. Der in einem erstaunlichen und erschreckenden Persönlichkeitswandel zum gutbezahlten Model gewordene Martin kann sich den extremen Rückzug ins Private leisten. Aber ein Traum aus der Vergangenheit holt das Glück ein und macht aus "Alice & Martin" zwei einsam Liebende, aus der Beziehung eine amour fou.

Immer wenn sich Téchinés Figuren am oder im Wasser bewegen, atmen die Bilder eine besondere Magie. Und Martin hält sich zeitweise fast den ganzen Tag im Wasser auf. Doch wie Alice erleben wir dies nur aus der Ferne ohne Verständnis und Mitgefühl. Seine ungewöhnliche Geschichte erzählt André Téchiné ("Meine liebste Jahreszeit", "Wilde Herzen", "Diebe der Nacht") mit Konzentration auf die Figuren. Die Zeit fließt nur stückweise kontinuierlich, die Sprünge überraschen immer wieder. Wie ein Filmriß setzt die Erinnerung erneut an dem Gartentor zur Vergangenheit ein. Der Fokus der Geschichte wechselt zwischen den Figuren. Auch die am Rande wie Benjamin oder die Mutter Martins (Carmen Maura) haben eine spannende Vielfältigkeit.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

realisiert durch
Ein Service von
arena internet service
FILMtabs-Logo