Air Force One

USA 1997 (Air Force One) Regie Wolfgang Petersen, 128 Min.

Ein Film wie ein Nationalbanner - stolz, pathetisch und mitblutroten Streifen durchzogen. Von Hans Zimmers Marschmusikfestivalunterlegt, hält US-Präsident James Marshall (Harrison Ford)in Moskau eine großartige Ansprache: Wir werden dem Terrorismusnie nachgeben! Kurz danach steigt eine Gruppe von sogenanntenTerroristen in die Air Force One, das Flugzeug des Präsidenten,und prüft diesen Ausspruch im blutigen Praxistest. IvanKorshunov (Gary Oldman) will aus einem russischen Gefängnisseinen kasachischen Führer General Radek (Jürgen Prochnow)befreien, den US-Truppen in Zusammenarbeit mit den Russen zuvorentführten. Radek drohte mit Atombomben -selbstverständlich muß auch er ein Terrorist sein! Nun istdie fliegende Festung und Kommandozentrale Air Force One in denHänden zynischer Ausländer, die kaum Englisch können -eine Katastrophe! Bei seinen handfesten und heldenhaftenRettungsversuchen hat es der Präsident besonders schwer, weilFrau und Kind ebenfalls an Bord sind. Aber zum Glück opfert hierjeder gern sein Leben für den Präsidenten. Auch reden dieÜbeltäter immer so lange, daß ihnen selbst einMurmeltier im Winterschlaf die Waffe entwenden könnte.

Ein paar zögerliche Momente, einige Scherze retten Marshallvor der Peinlichkeit einer reinen Klischeefigur. Es ist schon fastunglaublich, daß da jemand die Bedienungsanleitung einesSatellitentelefon versteht, selber x-beliebige Flieger steuert undeigenhändig mordet. Wahrscheinlich wechselt er zu Hause auchselbst die Bettwäsche - ein echter Held. Gegenüber derVizepräsidentin (Glenn Close) legen die restlichenKabinettsmitglieder derweil ihre sexistische Geringschätzung anden Tag. Der Streit an der führerlosen Heimfront WeißesHaus bietet noch einige der ungewöhnlicheren Momente imdurchgehend wenig originellen Film. Gary Oldman, der gut schlechtesEnglisch reden kann, gibt erneut den Schurken, kann aber nicht seineschillernde Bösartigkeit aus"Das fünfteElement" wiederholen.

Bei dem neuen Film vonWolfgangPetersen erwartet jeder ein fliegende Variante von "Das Boot" -Enge, Panik, Klaustrophobie in einem gekaperten Flugzeug. DochPetersen liefert nur banale Spannung, die so lange funktioniert, wieder Adrenalinspiegel das Nachdenken überschwemmt. Zuerwähnen wäre noch, daß neben Petersen auch dieVorzeige-Erfolgs-Deutschen Michael Ballhaus (Kamera), Hans Zimmer(Musik) und Jürgen Prochnow (Bösewicht) beteiligt sind.Aber ändert das was?

James Marshall heißt nicht nur so, er spielt auch denSheriff der Weltpolitik, der gerne in Faustkämpfen selbst Handanlegt und einige Gegner umbringt. Marshall hat schließlichgedient und in Vietnam gemordet, im Gegensatz zum realenPräsidenten Clinton. Da macht der Vorwurf desOberentführers durchaus Sinn, daß der US-Präsidentder schlimmere Verbrecher ist, der nur für den BenzinpreisTausende Iraker umbringen ließ! Auch "Projekt: Peacemaker"zielt in eine ähnliche Richtung. Dort wird dem Westen seinescheinheilige Haltung im Jugoslawienkrieg vorgeworfen.

Die jüngste Geschichte amerikanischer Präsidentenfilmezeigt ein extrem polarisiertes - oder auch zerrissenes - Bild: Esgibt Filmpräsidenten in zwei Kategorien, die gedient Habendenund die Pazifisten. Je nach Kriegslust des Films wird damitstellvertretend Bill Clinton attackiert, der in jungen Jahren jasogar gegen den Vietnamkrieg der Amerikaner protestierte. Die "guten"Staatschefs machen dabei die bessere Kinokasse. Sowohl in"Independence Day" alsauch in "Air Force One" hauen richtige Männer-Präsidenteneigenhändig zu - sie haben gedient und sogar gekämpft! Dieamerikanische Filmindustrie hatte ja schon immer eine besondereNeigung zum Militär - nicht an letzter Stelle wegen der teuerenKriegsmaterialien, die Army, Air Force und Marine öftersfür besonders militaristische Machwerke zur Verfügungstellen.

Andererseits ist der Präsident filmisch ziemlich dreistenVorwürfen ausgesetzt: In"Absolute Power" vergewaltigt ereine Frau, in"Verschwörung inSchatten" stellt er nur einen Hampelmann dar, der von seinemHelden-Freund Charly Sheen gerettet wird. Und auch ein"Mord im WeißenHaus" ist nicht mehr undenkbar. Die Themenreihe"US-Präsident" könnte allerdings auch von ganz banalenGrundlagen inspiriert sein: Das Weiße Haus als Filmset tauchtin letzter Zeit auffällig häufig auf. Von"Dave" bis"Mr. PräsidentJr." werden Nachbildungen von Fassade und Oval Office vor dieKamera gehalten.

Was der US-Film immer wieder als Terroristen aus dem Hut zaubert,ist ebenso haarsträubend. Das einzig Beängstigende an ihnenist die Vorstellung, daß sich irgendwann einmal Terroristentatsächlich so unsinnig, so unrealistisch drehbuchreif verhaltenwerden, wie es ihnen Hollywood vorspielt. In "Air Force One" sind dieMotivationen noch akzeptabel, aber allgemein, scheint das Stichwort"Terrorist" zu genügen, um jeden Anspruch an das Drehbuch fallenzu lassen. Daß sich die Schurken diesmal als Journalistentarnen, zeigt, daß die Macher des Films die Reaktion derKritiker geahnt haben.

Während Leo Kirch den Stoff in Deutschland mit Kohl in derHauptrolle herausbringen will (Kanzler wird von Asylantenentführt), dreht Luc Besson("Das fünfteElement") bereits am französischen Remake, das noch teurerals das Original werden soll: "AirFrance Deux".

Günter H. Jekubzik


Eine Kritik von Günter H.Jekubzik

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