The Sixth Sense

USA 1999 (The Sixth Sense) Regie M. Night Shyamalan, 103 Min.

Die erste Regel im "Fright Club" lautet: Man redet nicht über "Fright Club". Auch "The Sixth Sense" gehört in den Club der außergewöhnlichen Filme, bei denen weniger Inhaltsangabe wesentlich mehr Staunen und Schaudern verspricht. Deshalb nur das Nötigste: Bruce Willis rettet diesmal als Kinderpsychologe Dr. Malcolm Crowe nicht die Welt, sondern versucht, einem 8-Jährigen Jungen zu helfen. Cole Sear (Haley Joel Osment) ist verstört und verschreckt, weil er die Toten sehen kann, von deren Anwesenheit wir nur manchmal einen kurzen, kalten Schauder verspüren. Der Fall von Cole geht dem gefeierten Psychologen besonders nahe, da er einst einen Jungen mit genau den gleichen Symptomen falsch diagnostizierte, worauf dieser ihn später umbringen wollte. Nun nimmt Crowe sogar in Kauf, dass sich die Beziehung zu seiner Frau mehr und mehr abkühlt, um dem geplagten Kind zu helfen.

Das Wichtigste, um diesem exzellenten Film mit seinem leisen Schaudern gerecht zu werden: Niemand sollte sich vom Image des "Die Hard"-Schauspielers Bruce Willis abschrecken lassen. "The Sixth Sense" überstand mühelos den Test einer "Sneak-Preview": Die Kerle blieben ihrem Bruce Willis auch auf dem fremden Terrain treu und die mitgebrachten Frauen ließen sich nicht von drohendem Grusel den besonderen Filmgenuß rauben.

Für den heimlichen Bruce-Fan im Filmkritiker ist dies keine Überraschung. Immer wieder spielte Willis vor und nach den drei Folgen von "Stirb langsam" und den Schlagzeilen einer mittlerweile überstandenen Ehe mit Demi "wo-ist-das-nächste-miese-Drehbuch" Moore richtig gut. Und wer Willis schon früh in der Detektiv-Serie "Das Model und der Schnüffler" genießen durfte, verzeiht im selbst solche Dummheiten wie "Hudson Hawk" oder Peinlichkeiten wie das mißglückte Hitchcock-Plagiat "Color of Night". Obwohl da ja sein Hintern ausführlich zu sehen war ...

Seit den beiden Blake Edwards-Filmen "Blind Date" (1987) und "Sunset" (1988) wurde Willis auch im Kino bekannt, der Durchbruch war "Stirb langsam" im gleichen Jahr. In der nach oben offenen Hitparade der Weltenretter steht er mehrmals in den Top Ten und führt sie mit seiner Rolle im "Fünften Element" klar an: Als Korben konnte er in dem fantastischen Science Fiction von Luc Besson gleich 200 Milliarden Leben retten. Aber ganz gelassen nimmt er seinen Heldenpart nie zu ernst, ein verschmitztes Lächeln in der verfahrensten Situation adelt den echt harten Mann. Dass der Supermann in "Armageddon" die Welt rettete, indem er einen riesigen Meteoriten persönlich in die Luft jagte, ist reinste Routine. Dieser Part funktioniert als Selbstläufer und als Geldmaschine. Die Film-Ikone, der Retter der Welt in Serie, der feine Zyniker der deftigen Action. Dabei hat er sich schon als Actionfigur verselbstständigt: Noch verschleißfester als er kann eigentlich nur eine Actionfigur für die PlayStation sein: Als männliches Gegenstück für das Super-Weib Lara Croft spielte Bruce auch im Spiel "Apocalypse" eine Hauptrolle. Mit vier Leben pro Durchgang bricht sein Trey Kincaid erst aus dem Gefängnis aus, um dann - was wohl ? - die Welt zu retten!

Die Glanzlichter seiner Schauspielkunst waren die Gesellschaft-Kritiker "Fegefeuer der Eitelkeiten" (1990, Regie Brian de Palma) und "Der Tod steht ihr gut" (1992, Robert Zemeckis). Als heruntergekommener Lebemann servierte Bruce Willis seine Gags auf eine besonders trockene Art. Ein Talent, das ihn auch "Pulp Fiction"-fähig machte. Im "Schakal" spielte Willis seine vielen Charaktere mit sichtbarem Vergnügen. Trotzdem glaubte man ihm den eiskalten Schurken nicht, es schien zu oft ein nettes Lächeln durch. In "Nobody's Fool"(1994) gab er den liebenswerten Rüpel neben Melanie Griffith und Paul Newman. Auch "Breakfast of Champions" war kein typischer Bruce Willis-Film - dafür ein mieser Alan Rudolph-Film und ein riesiger Flop. Doch der Star hatte sich für die Rolle mächtig ins Zeug gelegt, die Finanzierung aus seiner eigenen Geldbörse gesichert. Den Verlust schien er wieder mit Actionfilmen abarbeiten zu müssen, doch zum Glück erwies sich "The Sixth Sense" in den USA als riesiger Erfolg.

Bereits in "Das Mercury Puzzle" kümmerte er sich um einen kleinen Jungen, einen Autisten, dessen Fähigkeiten den geheimsten der amerikanischen Geheimdienste bedrohten. Doch die Mischung von Action und Gefühlseinlagen a la "Rainman" funktioniert nicht. Ganz im Gegensatz zum Karriere-Highlight "Sixth Sense": Hier werden die exzellenten Mittel sanft für die Figur, nicht für den Effekt eingesetzt. Atemberaubend ist schon die vorsichtige Annäherung des Psychologen an das ängstliche Kind. Wenn es dann kalt wird im Haus, wenn die Geister sich zeigen, vermittelt das Gesicht des Jungen absolut glaubhaft unerträgliche Angst in der Anwesenheit der entstellten Todesgestalten.

Der große Moment, in dem der ganzen Geschichte und dem Publikum der Boden unter den Füßen weg gezogen wird, hat mehr Dramatik und Gefühl als die meisten Hollywood-Klassiker. Später rollt man den kompletten Film nochmals staunend und kopfschüttelnd von diesem Moment her auf, es streift einen die Gänsehaut der Rührung, die Seufzer des Mitgefühls steigen selbst aus flach trainiertem Zwerchfell empor.

Bemerkenswert ist nicht nur, dass nach "Fight Club" sich noch ein Film mit extremer Wendung in der Story zu den wirklich Sehenswerten gesellt. Auch das Bild einer US-amerikanischen Gesellschaft mit massig Leichen im Keller taucht aus dem Horror-Genre demnächst mit "Echoes - Stimmen aus der Unterwelt" nochmals in den Mainstream auf.

 


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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