Jane Austens Verführung
GB/Fr 1995 (Persuasion) Regie Roger Michell, mit Amanda Root, Ciaran Hinds, Susan Fleetwood, Corin Redgrave, Fiona Shaw, John Woodvine, Phoebe Nicholls u.a., 102 Min.
Der verschuldete Sir Elliot muß den Familiensitz "vermieten", um sich und seinen Töchtern den ausschweifenden Lebenswandel weiter zu ermöglichen. Er zieht mit der standesgemäß dekadenten Tochter Elizabeth in den Badeort Bath. Anne, das Aschenputtel aller naher und ferner Verwandten, wird zur verheirateten Schwester verschickt. Doch das trifft sie nicht besonders: Anne Elliot ist grundsätzlich bescheiden, seit acht Jahren unglücklich verliebt und eher der Poesie als der eitlen Gesellschaft zugetan. Zudem bringt der Untermieter, ein gegen Napoleon erfolgreicher Admiral, seine Familie und damit viel Aufregung in die Gegend. Denn der attraktive, sehr männliche Captain Frederik Wentworth ist nicht nur Annes unglückliche Liebe, er verdreht auch den jungen, albernen Fräuleins und Frauen reihenweise den Kopf. Aber Anne spielt weiter am Klavier zum Tanzvergnügen der anderen auf.
Die Maßstäbe dieser Gesellschaft sollten Rang, Erziehung und - weit abgeschlagen - Bildung sein. Doch Geld ist die wahre Attraktion im Gesellschafts- und Liebesspiel. Den verletzten Seelen bleibt nur die Flucht in die Posie. Das Ideal leben Admiral Croft mit seiner Gattin vor: Selbst im Krieg blieb sie lieber bei ihm auf dem Schiff, als allein in der sicheren Heimat zu warten.
"Jane Austens Verführung" hat vom Thema der jungen Damen, die nach sozialem Abstieg ihre Liebe verfolgen, Ähnlichkeiten zu Ang Lees "Sinn und Sinnlichkeit". Selbst Figuren ähneln einander, wie Clavor Hints, der Darsteller des Wentworth, der Figur Alan Rickmans in "Sinn und Sinnlichkeit". Kein Wunder - beiden Filmen liegt ein Roman von Jane Austen zugrunde (wie auch dem modern belanglosen "Clueless"). Der Mammon bildet bei Austen erneut den (verurteilten) Maßstab für Menschen und ist Grund allen Übels. Doch "Verführung" profitiert von den unbekannteren Gesichtern und der Abwesenheit von Stars. Viel karikierter tritt so der britische Adel mit einer ignoranten, snobistischen Haltung vor den langen, intensiven Liebesroman. Groß ins Bild kommt auch die Dienerschaft und bleibt nicht wie so oft ausgeblendet. Und spannender als die Frage "Kriegt sie ihn?" sind die Einblicke in eine sehr persönlichkeitsfeindliche Gesellschaft, deren sensiblere Gestalten sämtlich in die Welt der Poesie fliehen.
Der große Liebesroman "Verführung", der gattungsgemäß mit einem langen Kuß endet, betont jedoch zu deutlich das gesellschaftliche Unrecht gegenüber Anne und anderen zarten Seelen. Sein Verdienst liegt darin, diese gefühlsfeindlichen Mechanismen fesselnd darzulegen.
Spiegelgeschichten:
Zwei Szenen im Spiegel stellen Annes Veränderung ins Bild: Nach dem Gerede, Wentworth hätte sie kaum wiedererkannt, sucht sich Anne schnell verzweifelt im Spiegel. Später nach der Begegnung mit gleich mehreren Männern wirft Anne einen zufriedenen Blick in den Spiegel.
Ein Blick in sein spiegelndes Messer während des Essen charakterisiert Sir Eliot kurz und knapp als eitlen Hanswurst.
Eine Kritik von Günter H. Jekubzik
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