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Wenn der Postmann gar nicht klingelt

Norwegen 1996 (Junk Mail) Regie Pal Sletaune, 83 Min.

Postmänner sind wieder in im Kino! Kevin Costners "Postman"rettete die amerikanische Zivilisation, ein asiatischer Kollegeschlich sich in Postgeheimnisse und das Leben seiner Klienten, einItaliener erhielt als "Postino"den Oscar und nun gewinnen wir einen Einblick in das norwegischeBriefbeförderungssystem:

Es ist ein einziger Dreckshaufen. Die abgehalfterten Postlerhängen herum, finden Zigarettenkippen im Kaffee, spucken sichgegenseitig ins Essen. Uniform sind sie dumm, aggressiv undunrasiert. Nordische Briefzusteller bevorzugen Junk-Food, haben einenJunk-Job und führen ein Junk-Leben.

Roy ist einer von ihnen und auf seiner privaten Müllhalde ineinem Bahntunnel landen die meisten seiner Post(weg)wurf-Sendungen.Daß dort irgendwann auch Geldbündel und Georgs verstautwerden, gehört zur reizvollen Entwicklung des Films. Bei derGeschichte vom vielen Geld leidet auch Roys Postler-Uniformzunehmend. Als eine junge Frau ihren Schlüssel am Briefkastenvergißt, schleicht sich Roy in die leere Wohnung,durchstöbert sie dreist neugierig. Gleichzeitig startet er einestille, heimliche Annäherung an die schwerhörige Line, eskommt zum Treffen im Café. Doch noch bevor Line fragen kann,"Wer hat auf meinem Bettchen geschlafen, wer hat von meinemTellerchen gegessen ...", legt sie sich zum Sterben in die Wanne. DieFrau ist in einen Geldüberfall verwickelt, gequält ebensovon ihrem Schuldgefühl wie vom brutalen Komplizen. Derschmutzige Schutzengel Roy rettet sie mit einem Anruf beim Notarzt,verschwindet aber trotzdem ganz schnell.

Die raffinierte Kontruktion ist zeitweise fast so spannend wieHitchcock und oft so albern wie Monty Python - dafür sorgen auchzwei Prügelknaben mit aberwitzig doofer Logik. "Junk Mail" - soder Originaltitel - gewann vor einem Jahr in Cannes den Preis derrenommierten "Woche der Kritik". Es ist spannend, romantisch und sehrtrocken komisch, wie einer dieser garstigen Helden einer in jederHinsicht versifften Welt doch sympathisch wird.


Eine Kritik von GünterH. Jekubzik

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