Der Postmann

Italien 1995 (Il Postino) Regie Michael Radford, mit Massimo Troisi, Philippe Noiret, Maria Grazia Cucinotta u.a. 108 Min.

Von Günter H. Jekubzik

Das ist schon sehr ungewöhnlich: Da schrieb der chilenische Autor Antonio Skarmeta den wunderbaren Roman "Mit brennender Geduld" über die Begegnung des großen Dichters Pablo Neruda mit einem einfachen Postboten. Die 1983 gedrehte, gleichnamige Filmversion des ZDF ist ein poetischer Genuß, sie erzählt vom Exil eines Dichters und von der Kraft der Poesie. Nun taucht der Stoff in veränderter Form im Kino auf. Sehr schön, aber auch sehr schade, wenn man vergleicht.Pablo Neruda landet jetzt im Exil auf einer italienischen (!) Insel, in einem armen Dorf mit vielen Analphabeten. Der Dichter des Volkes (so nennt ihn der kommunistische Postbeamte) und der Frauen (so erzählen es die parfümierten Briefe) wird fortan vom radelnden Aushilfsboten Mario mit Nachrichten beliefert. Der einfache, wortkarge Fischersohn überwindet sich langsam zu naiven Fragen an den Dichterfürsten: "Was ist eine Metapher?" und "Wie wird man Poet?" Als Mario den Zauber der Metaphern erkennt und seine Zunge nicht mehr nur zum Befeuchten der Briefmarken benutzt, gewinnt der arme Mario mit etwas Hilfe Nerudas sogar das Herz der üppig und unerreichbar schönen Beatrice.Eine einfache Geschichte vor reizvoller Landschaft, die zum Ende den Faden verliert. Wenn Mario nach der Abreise des Schriftstellers mit Tonband zum Reportage-Poeten der Moderne wird, die Wortkunst des Dichters durch diese Aufnahmen überfällig, finden das wohl nur Medientheoretiker spannend.Massimo Troisi, den Darsteller des so herzlichen Marios mit dem treuen Hundeblick unter den italienisch dunklen Locken, hätte man in den letzten Filmen von Ettore Scola bewundern können: "Splendor", "Wie spät ist es?" oder in "Die Reise des Capitan Fracassa". Er spielt sich als Postmann mehr in die Herzen als der große Star Philippe Noiret als Neruda, der zumindest ein oberflächliches Halbinteresse an den Dörflern gut verkörpert.Die karge Kulisse des Dorfes mit ihren wenigen Schauplätzen wirkt beengend. Die Nachlässigkeiten in der Inszenierung: daß Beatrice Mario zu schnell liebt, daß diese Beziehung dem Film zu bald unwichtig wird, daß der böse Politiker unnötig aufgebaut und dann vergessen wird, betrügen den "Postmann" um seine ver-filmte Poesie. Macht aber nichts, "Mit brennender Ungeduld" warten wir nun auf die TV-Wiederholung des wirklich poetischen Meisterwerks aus erster Hand und lesen solange das Original.

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avz-kurz 9.12.95

Der Postbote des exilierten Pablo Neruda gewinnt mit Gedichten die Frau seines Herzen, verliert aber schnell die anteilnehmende Freundschaft des berühmten Dichters. Nur in Ansätzen reizvolle Verfilmung nach Antonio Skarmeta.


Eine Kritik vonGünter H.Jekubzik

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