Die Weisheit der Krokodile

GB 1998 (The wisdom of crocodiles) Regie Poh-Chih Leong, 98 Min.

Das Vampirgenre ist ausgeblutet, dient oft nur noch fürSchlachtorgien ("John Carpenters Vampires") und blutleereKomödien. Selten erscheint wirkliche Faszination derNachtgestalten noch im Projektionsstrahl des Kinos."Blade" war ein schwarzes Halbblut mitgewaltiger Schlagkraft gegen seine saugenden Blutsbrüder. StevenGrlscz (Jude Law) bräuchte nicht nur dringend einige Vokalefür seinen Nachnamen, auch für ihn ist Blut ein ganzbesonderer Lebenssaft. Allerdings - und hier beginnt der ungeheureReiz dieses seltsamen Edelsteins unter den Vampirfilmen - rammtSteven nicht wahllos seine Zähne in die Nacken. Wie Eddy Murphys"Vampire in Brooklyn"muß er seine weiblichen Opfer umwerben und verführen, denner braucht vor allem die Liebe in ihrem Blut!

So gestaltet sich die Nahrungssuche für diesen Jägermühsam aber auch sehr stilvoll. Detailliert führt dergebildete Gentleman Steve Protokoll über seine Bekanntschaften,wie beim Arzt - den er auch zur Tarnung spielt - gibt es fürjedes Opfer eine umfängliche Analyse, die ihn letztlich abernicht befriedigen kann. Denn er spürt ihre Liebe im aufgesaugtenBlut. Aber auch alle anderen Gefühle auf intensivste Weise undunter großen Schmerzen scheidet er nach der mörderischenVereinigung wunderbare Kristalle aus, unmenschlich kunstvolleNierensteine. Jeder hat ein eigenes Muster und erhält in derSammlung einen eigenen Namen: "Verzweiflung", "Leidenschaft" . DochWahre Liebe war noch nicht unter ihnen.

Dem aus der Schule des Hong Kong-Kinos stammenden RegisseurPo-Chih Leong gelingen von den ersten Szenen an äußersteigenwillige und rätselhafte Bilder, wie jenes hoch oben in denÄsten eines Baum eingeklemmte Auto, aus dem Blutherunterfließt und auf die Hand Stevens tropft. Der Rhythmusist packend, in kurzen Momenten erleben wir mit, wie Steven eine Frauvor dem Selbstmord rettet, beide sich kennenlernen, lieben und er ihrdie Kehle durchbeißt. Mit viel dunklem, warmem Styling undexquisiter Ausstattung wird dem Auge geschmeichelt. DieHauptdarsteller Jude Law und Elina Löwensohn (als Anne Levels)fügen ihre eigene Schönheit hinzu. Löwensohn istdiesmal nicht selber als Vampir ("Nadja") sondern als Opfer zugenießen. Die Polizei in Person des faszinierendbürgerlichen Inspectors Healey (Timothy Spall) ist Steven zwarauf der Spur, aber viel spannender als die Frage, ob sie denMörder fassen wird, entwickelt sich die Freundschaft zwischendem formvollendeten Vampir und dem braven Biedermann.

Wir dürfen in diesem erstaunlichen Film aber vor allem dasWunder eines verliebten Vampirs erleben, die Zerrissenheit zwischenHunger, Zerfall und selbstloser Liebe. Das Paradoxon eines ganzunüblichen Vampirs: Er lebt von Liebe, kann aber nur Tod geben.Der Titel zitiert Francis Bacon: "Das ist die Weisheit der Krokodile:Bevor sie ihre Opfer verschlingen, vergießen sie Tränen."


Eine Kritik vonGünter H.Jekubzik

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