Traffic

USA 2001 (Traffic) Regie Steven Soderbergh, 147 Min. FSK ab 16

O.k., "Traffic" ist ein spannender Film, aber nicht unbedingt ein Thriller, denn das will er gar nicht sein. Das Erstaunliche an "Traffic" ist, in der Verpackung eines ungewöhnlichen, packenden Spielfilms kommt er so informativ wie eine Dokumentation daher, die einen Querschnitt durch alle Ebenen der amerikanischen Drogenproblematik bietet. Soderberghs neustes, mit vier Oscars prämiertes Meisterwerk nach "Out of Sight" mit George Clooney und "Erin Brockovich" mit Julia Roberts funktioniert wie die Filme von Robert Altman über ein ganzes Bouquet von Geschichten und Figuren. Gespielt wird das Ganze von einem gewaltigen Staraufgebot, ja mit Michael Douglas und Catherine Zeta-Jones sind gleich ganze Starfamilien dabei. Regisseur Steven Soderbergh ("Sex, Lügen und Video") traf eine eindrucksvoll gute Auswahl bis in die kleinen Nebenrollen hinein. Dass seine Bildgestaltung faszinierend und fesselnd ist, weiß man mittlerweile. Diesmal nahm er selber die Kamera in die Hand, schuf Spannung mit unruhigen Aufnahmen und ordnete die gesellschaftlichen Bereiche mit einer Farbcodierung. Während das mexikanische Drogenkarussell gelblich getönt ist, strahlt der Bereich von Administration und Politik in kaltem Blau.

"Traffic", der Drogen-"Verkehr", läuft auf verschiedenen Ebenen ab: Da sind die Schmuggler, die Großhändler, die Polizisten und Politiker, dazwischen die Konsumenten, hier vor allem junge Leute. Der mexikanische Drogenbeauftragte Salazar "übernimmt" mit seiner paramilitärischen Truppe den Fang zweier einfacher Polizisten. Vor allem Javier (Benito Del Torres), ein kleiner, anscheinend korrupter Polizist in der mexikanischen Stadt Tijuana, findet das Interesse des mächtigen Mannes. Derweil wird in Washington der Richter Bob Wakefield (Michael Douglas) offiziell auf den "Krieg gegen die Drogen" eingeschworen. Seine Tochter lernt inzwischen Crack kennen, und diskutiert mit der Nase im Koks intensiv Gesellschaftskritik. In einem dritten Handlungsstrang lernen wir das ehrenwerte Mitglied der Gesellschaft Carl kennen, der Kokain in Kinderpuppen pressen lässt und es so aus Mexiko herüber schmuggelt.

Selbst komplexe Weltpolitik, wie etwa die amerikanische Freihandelszone NAFTA, versucht Soderbergh seinem Publikum nahe zu bringen. Und es gelingt. Am Ende weiß man mehr und die Inhalte wurden nicht für das übliche Gut-gegen-Böse-Schema simplifiziert. Die Grenze dazwischen ist nämlich nicht einfach zu ziehen. Opfer werden überraschend schnell zu Tätern. Saubermänner haben selbstverständlich ihre dunklen Flecken. Schmutzig ist längst kein treffendes Wort mehr für den kalten Zynismus mit dem die Geschäfte durchgezogen werden. Alte Klischees über die kriminellen schwarzen Viertel werden mit einer kurzen Marktanalyse zurechtgerückt: In jedem Viertel würden die Leute Drogen verkaufen, wenn weiße Kids dauernd danach fragen und die Gewinnspanne so extrem sei.

Auch wenn "Traffic" nicht so konsequent und unentrinnbar brutal ist wie Darren Aronofskys Drogenfilm "Requiem for a dream", er erinnert an diese noch nicht in Deutschland gezeigte Sensation. In den Familiendiskussion kommt heraus, dass viele Eltern in ihrer Jugend selber Drogen "ausprobiert" haben, wie man es jetzt nennt. Die drei Gläser Scotch am Abend, die nötig sind, die Langeweile in der Ehe zu überdecken, zählen jedoch nicht zu den Drogen. Der Kernsatz von "Traffic" lautet: Wenn man den Kampf gegen die Drogen aufnimmt, muss man auch den Kampf gegen die eigenen Familienmitglieder in Kauf nehmen. Die von konservativen Kreisen gerne ausgeblendete Frage nach der Therapie taucht als einzige Lösung auf und liefert ein paar vage Hoffnungen am offenen Ende.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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