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Sie liebt ihn - Sie liebt ihn nicht

GB 1998 (Sliding Doors) Regie und Buch Peter Howitt, 98 Min.

Wie war das noch ... Eine Münze fällt zu Boden, rolltdurch die Bahnhofshalle während ein junger Mann versucht, denZug zu erreichen. Kopf oder Zahl? Schafft er es oder nicht? In einerSekunde der Entscheidung werden die Weichen für ein ganzes,anderes Leben gestellt. "DerZufall möglicherweise" führte den jungen Witek im Polender Militärdiktatur über drei völlig unterschiedlicheWege dem gleichen Schicksal - gewirkt durch Krzysztof Kieslowski -zu. "Es ist irgendwie modern, so Geschichten parallel laufen zulassen," meinte eine Zuschauerin nach "Sie liebt ihn - Sie liebt ihnnicht". Genau erkannt! Etwas Modernität kann das demerzählerischen Realismus des letzten Jahrhunderts verhafteteKino gut brauchen. Die deutsche Lolarennt so an die Spitze der Charts mit ihren drei kurzen und rasantenParallelgeschichten. Währenddessen hat der Brite Peter Howittdie ideale Mischung aus verspielter Form und publikumsträchtigerRomanze gefunden. Modern ja, aber nicht neu: Nach Kieslowski spielteAlain Resnais in "Smoking"und "No Smoking"ganze 16 Versionen einer Geschichte durch und ging dabei immer wiederzum Anfang zurück.

Auch für Helen (Gwyneth Paltrow) scheint es eine Kleinigkeitzu sein, daß sie gerade die U-Bahn verpaßt. Hat sie dochimmerhin kurz vorher ihren Job verloren. Aber ein verwirrender,blitzlichtartiger Schnitt trennt von hier an ihre Lebenswege. PrinzipWas-wäre-wenn: Helen - nennen wir sie Helen 1 - quetscht sichgerade noch so durch die Tür der Bahn, lernt einen sehrfreundlichen Mann (John Hannah) kennen, erwischt ihren Zuhause beimSeitensprung und verläßt ihn. Helen 2 schafft es nicht,will ein Taxi nehmen, wird überfallen und kommt so rechtzeitigzu spät, daß Gerry (John Lynch) gerade noch die Spurenseines Seitensprungs beseitigen kann. Lange scheint dies dieschlechtere Alternative zu sein, Helen 2 arbeitet sich in miesen Jobsdämlich, die feige, heuchlerische "moralfreie Zone" Gerry treibtes weiter mit seiner Jugendliebe Lydia (Jeanne Tripplehorn). Helen 1hingegen schneidet alte Zöpfe ab, läßt sich von deraufopferungsvollen U-Bahn-Bekanntschaft James trösten undbeginnt eine neue Karriere. Nur ein kurzer Rückfall macht nochdeutlicher: Ohne ihren schlappen Schmarotzer Gerry am Bein ist Helenviel besser dran.

Der Witz am Film liegt - neben diesem reizvollen Vergleich - inden (Fast-) Begegnungen der beiden parallelen Welten. Immer wiedertreffen sich die Geschichten und Figuren selbst in den gleichenKneipen, beim Spaziergang, auf der Straße. Zwischendurchirritieren Helen Zeichen von Gedankenübertragung aus dem anderenLeben - so als hätte sie zu oft Kieslowskis "Diezwei Leben der Veronika" gesehen. Auch ausgefeilte Dialoge mitsehr treffenden Sätzen machen Spaß und der gute Freund,der sich zurecht über das selbstverschuldete Elend Gerrykaputtlacht, ist eine Supernummer!

Die absolut preiswürdige Konstruktion bietet in Momentenoriginell irritierender Montage bestes Kunstkino. Und einfachunvergeßliche Szenen - wie die "Sliding Doors", die dem Filmseinen Originaltitel gaben: Eine Reihe von Schiebetürenhintereinander. Davor Helen, völlig verwirrt sieht sie nicht,was sie auslöst (die automatisch öffnenden undschließenden Türen) und merkt nicht, wie die Geschichtenum sie herumgleiten. Doch "Sie liebt ihn - sie liebt ihn nicht" iststreckenweise auch einfache Star-Romanze; zwei Geschichtennebeneinander, die man auch hintereinander hätte schneidenkönnen. Aber selbst für diese Kategorie lohnt dastrickreiche Happy End mit der dicken Portion Melodramatik.

Helens Doppelrolle ist selbstverständlich eine tolle Chancefür facettenreiche Darsteller. Schade daß der Star GwynethPaltrow ("Ein perfekter Mord") dabei ist. Sie spielt nicht schlecht,aber der Film macht den Eindruck, als könne er mit einer gutenunbekannten Schauspielerin noch besser sein. Jedoch hätten wirihn dann vielleicht überhaupt nicht sehen können.

Sorgfältig begleitet die Ausstattung der Lebens-Räumedie Stimmungen der Figuren. Von den glatt glänzendenGlaspalästen der PR-Branche bis zum gemütliche Versteck beider Freundin Anna. "Sliding Doors", die romantische Hommage an denverstorbenen Regisseur Kieslowski, ist ein äußersteindrucksvolles Regiedebut des bislang als Schauspieler ("Mütterund Söhne", "ImNamen des Vaters") tätigen Peter Howitt. Da der engagierteBrite auch das Drehbuch schrieb, dient ihm ein besonderer Dankfür dies außergewöhnliche Filmvergnügen.

Günter H. Jekubzik

PS: Will uns Howitt noch mehr damit sagen, daß Helen den Zugverpaßt, weil ihr ein Kind im Weg steht? (Das sich mit einerPuppe in der Hand ebenfalls als zukünftige Mutter zeigt ...) Ist"Sliding Doors" vielleicht ein richtiger Frauenfilm verkleidet ineiner Romanze für Frauen?


Eine Kritik von GünterH. Jekubzik

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