Rien ne va plus - Das Leben ist ein Spiel

Fr 1997 (Rien ne va plus) Regie Claude Chabrol, 113 Min.

Es ließe sich Claude Chabrols 50. Film feiern. Allerdingsliefert der Nachfolger von "Masken", "Schrei der Eule", "DieHölle", "Biester" oder"Madame Bovary" kaumGründe, die Sektkorken knallen zu lassen.

"Rien ne va plus" bietet eine kleine, feine Gangstergeschichte.Dabei ist schon die Einführung ist nicht besonders aufregend.Das Pärchen Betty (Isabelle Huppert) und Victor (MichelSerrault) führen eine Diebestour vor, bei der nicht nur dasOpfer im Film eingeschlummert wird. Betty spielt die liebeshungrigeFrau und lockt wieder ein biederen Kongreßteilnehmer in seinZimmer. Dort wirken die K.O.-Tropfen schnell und der hinzukommendeVictor nimmt den verblendeten Möchtegern-Liebhaber aus.

Aus Frankreich kamen schon einige sehr schöneGaunergeschichten, die mehr den Menschen als den Clouvorführten. "Die kleine Diebin" Charlotte Gainsbourg nach einemDrehbuch von François Truffaut, "Der kleine Gangster" vonJacques Doillon oder die reife "Dame, die im Meer spazierte", JeanneMoreau. In dieser Art von Gaunergeschichten ist auch "Rien ne vaplus" zu sehen, wenngleich der neue Chabrol sicher kein Glanzpunktist.

Wie rentnernde Touristen fahren Victor und Betty brav undbürgerlich im Wohnmobil durch die Lande. Er kümmert sich umdie Strategie, sie um die Verführung. Beider Erfolg beruht aufBescheidenheit. Sie klauen immer nur einen Teil des vorgefundenenGeldes - so schließt der Beraubte die Möglichkeit vonDiebstahl aus: Da wäre doch alles weg ... Serrault gibt denSenioren-Gauner roh und leicht eklig. "Die Huppert" spielt Bettyetwas prollig, geistig nicht ganz auf der Höhe ihres entschiedenälteren Partners, dafür vielleicht viel verschlagener undgefährlicher.

Zu Hause in Paris mischt sich Victor mit viel Genuß unterdie Menschen der Straße, klopft einem ungeschickterenTaschendieb auf die Finger und bekommt aufgrund seiner dürftigenBekleidung auch schon mal eine Mahlzeit geschenkt. Betty kündigt- gelangweilt? - eine Soloreise an. Trotz eines Anfluges vonEifersucht gibt Victor ihr einen falschen Paß mit neuem Namenmit. Bei einem Dentisten-Kongreß in der Schweiz werden sie sichzu ihrem nächsten Coup treffen.

Doch dort im luxuriösen Hotel ist alles anders: Betty steuertjetzt die Ereignisse, ob sie weiß wohin, wird allerdings nichtklar. Sie hängt am Arm des jungen Maurice (FrançoisCluzet), der wiederum fünf Millionen Schweizer Franken im Kofferhat. Wer jetzt wen austricksen soll, bleibt völlig unklar. Diesist keine Gangstergeschichte mehr, dies ist der Kampf zweier Gockelum die Vorherrschaft auf dem Gebiet der Intelligenz - kurz: um eineFrau.

Wenn man sich gerade zum Dösen in den Kinosesseleingemümmelt hat, kommt doch nochmal richtig Spannung auf. Dasbetrügerische Trio hat sich unwissentlich mit ganz üblenGangstern angelegt und muß jetzt bluten. Gespräche inLebensgefahr sind manchmal besonders brillant, und Tosca schnellrückwärts gespielt, hat eine sehr beunruhigende Wirkung.

Vor allem durch die exzellenten Darsteller kann das eherträge Tricksen gerade noch interessieren. In der erstenKlauszene spielt die Kamera reizvoll mit den Spiegeln des Raums.Später klaut Chabrol den Serpentinentanz aus derFilmfrühzeit für eine Abendunterhaltung und ein ganz fiesesVerräter-Grün aus Hitchcocks "Vertigo" für BettysKleid. Der Rest scheint banal und nur mäßig interessant zusein. Doch die Handlung hinterläßt kleine, hakende Fragen:Was hatte Betty eigentlich mit Maurice vor? In welchemVerhältnis stehen Betty und Victor überhaupt, weshalb nenntsie ihn "Papa"? Und: wie wird es weitergehen? Chabrol kündigtden Epilog sehr ironisch an - "Ein Jahrhundert später."Vielleicht sollte man die Gangstergeschichte als Beziehungsgeschichtesehen, in der uns Chabrol doch wieder viel über die Menschenzeigt. Das ewige Belauern und Betrügen auf einem gleichwertigen,gleichberechtigten Niveau, das sich wohl auch Liebe nennt.


Eine Kritik von Günter H.Jekubzik

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