Wie gefrorene Silvesterknaller im neuen Jahr ...

Interview mit Christian Petzold zu "Die Innere Sicherheit"

Am Mittwochabend feiert im Kölner Off-Broadway ein äußerst bemerkenswerter deutscher Film Premiere. "Die Innere Sicherheit" erzählt von einer Familie auf der Flucht. Die Eltern waren einst RAF-Terroristen und leben seit fünfzehn Jahren mit dem Kind ihrer Liebe im Untergrund. Der junge Regisseur Christian Petzold gewann mit seinem neuen Werk international bereits mehrere Preise. Günter H. Jekubzik sprach mit dem Filmemacher.

Die Geschichte des 15-jährigen Mädchens Jeanne (Julia Hummer), das von ihren untergetauchten Eltern (Barbara Auer und Richy Müller) heimatlos durch Europa getrieben wird, fesselt durch die intime Darstellung einer schrecklichen Situation. Die Eltern sind gleichzeitig verständnisvoll und aufgrund der Fluchtsituation schrecklich hart. "Jede Tragödie geht von einer solchen unerträglichen Situation aus," meint dazu der in Hilden geborene Autor und Regisseur Christian Petzold, der in Berlin studierte und lebt. Obwohl die Hinweise und Bezüge eindeutig sind, wird die RAF nie genannt. Petzold wollte keine spezielle Story schreiben, sondern von "Menschen erzählen, die aus der Geschichte gefallen sind, ganz wie der Fliegende Holländer. Wenn sie anlegen, müssen sie die Liebe finden. Wenn sie die Liebe nicht finden, müssen sie weiter." Überraschend Tiefsinniges taucht immer wieder im Gespräch mit dem studierten Germanisten und Theaterwissenschaftler Petzhold auf. Hier macht sich jemand deutlich mehr Gedanken über seinen Film als viele Kollegen. Eine Eigenschaft, die im Ergebnis dann eher unspektakulär für stimmige Dichte sorgt.

Die RAF-Geschichte hat ihn nur kurz als 15-jähriger beschäftigt, als "das Rheinland durch die Terroristenverfolgung aufgeladen war. DIE waren gegen meine Eltern, also waren sie gut." Erst mit der Schießerei am Bahnhof von Bad Kleinen - "eine Szene wie von Sergio Leone" - endete die innere Abkehr vom Thema.

Zur Arbeit mit den deutschen Stars Barbara Auer und Richy Müller, die beide in ungewohnten Rollen auftreten, bemerkt Petzold, dass vor allem Richy Müller als gelernter Werkzeugmacher besonders gut den handwerkelnd gebildeten Proletarier verkörpert. Während der Film oft spannend wie ein Krimi abläuft, fesseln die drei Hauptfiguren durch eine nuancierte Zeichnung. Alle Person behalten ihre Wunden und Risse, bleiben komplex. In einer langwierigen Vorarbeit am Drehbuch wurden die Dialoge reduziert, bis "die Sachen aus den Figuren kommen, nicht über die Dialoge direkt ans Publikum gerichtet werden."

Nach internationalen Festivalauftritten von Venedig und Thessaloniki kommt "Die innere Sicherheit" mit einigen Preisen in seine Heimat zurück. Petzold, der bislang mit Filmen wie "Pilotinnen" (1994), "Cuba libre" (1995) oder die "Die Beischlafdiebin" (1998) eher im Fernsehen präsent war, fand diesen längeren Umweg über das Ausland sehr angenehm, da "dort viel ungezwungener mit dem Thema umgegangen wird".

Auch Volker Schlöndorff drehte mit "Die Stille nach dem Schuss" kürzlich einen Film zum "Nachleben" der RAF. Die momentan so aktuelle Beschäftigung mit der politischen Situation in den 70gern erklärt sich Petzold mit einem allgemeinen "Tauwetter" im Denken: "Bruchstücke deutscher Geschichte kommen jetzt hoch wie gefrorene Silvesterknaller nach Neujahr." Der Film ist ab Donnerstag in den deutschen Kinos zu sehen.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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