Die Stille nach dem Schuss

BRD 2000 (Die Stille nach dem Schuss) Regie Volker Schlöndorff, 102 Min.

Jungs entwickeln sich immer etwas langsamer: So bringt Volker Schlöndorff fast 20 Jahre nach seiner damaligen Frau Margarethe von Trotta ("Die bleierne Zeit") einen Film über das Innenleben von RAF-Terroristen ins Kino. Doch Spott beiseite: Die Zeit scheint reif, sich ohne ideologische Panikmache einer dramatischen Phase der bundesrepublikanischen Geschichte zu nähern. Begnadigungen für verurteilte RAF-Aktivisten werden von allen Seiten diskutiert. In Venedig fand gerade Christian Petzolds "Die innere Sicherheit" Beachtung. Die Geschichte einer Familie auf der Flucht, mit der "nachgeborenen" Tochter, die versucht, ihre Eltern zu verstehen. Das Fernsehen berichtet über die Zeit nach den Gefängnisstrafen. Und aus Geheimdienstakten der DDR ergeben sich neue Perspektiven.

Das Porträt einer Frau mit terroristischer Vergangenheit beginnt mit den "heiteren" Jahren. Es gibt viele Gründe, gegen den kapitalistischen deutschen Staat zu sein, eine entschlossene Kampfgruppe will zur Durchsetzung ihrer Ziele auch Waffen benutzen, sie sieht sich im Krieg. Nach einer Gefangenenbefreiung flieht Rita Vogt (Bibina Beglau) über Ost-Berlin und erhält vom dortigen Geheimdienst das Angebot einer eigenen Transitvereinbarung. Als sich das Netz um Ritas Gruppe immer mehr zusammenzieht, die junge Frau in Paris einen Polizisten erschießt, Frustration und Eifersucht hinzukommen, nimmt Rita das politische Asyl der DDR an. Beim geselligen Grillen mit den anfangs sympathischen Geheimdienstlern arbeitet man die Details aus. Es gibt eine neue Identität, als einfache Werktätige arbeitet Rita bescheiden und durchaus zufrieden in einer Stofffabrik. Doch immer wieder wird sie enttarnt und muss Liebende verlassen, denn auch Genossen kennen die Fahndungsfotos aus dem Westfernsehen. Nach dem Mauerfall sollen die versteckten Terroristen ausgeliefert werden.

Mit RAF und DDR, die ja nicht immer ehemalig war, packt "Die Stille nach dem Schuss" gleich zwei heiße Eisen an. Obwohl das Leben der Terroristen unter dramatischen Bedingungen verlief, erzählt Schlöndorff keine Räuberpistole mit Schießereien und Action. Das Leben und Empfinden der Rita Vogt zeigt sich als überaus einfühlsames und bewegendes Porträt eines sehr willensstarken und eigentlich sanften Menschen, der von dem - auch im Film sichtbaren - Leiden in der Welt getrieben wurde.

Das Buch schrieb der renommierte DEFA-Autor Wolfgang Kohlhaase ("Solo Sunny", "Ich war 19") auf der Basis einer Biografie der ehemaligen RAF-Terroristin Inge Viet. Dadurch ergab sich auch einiger Streit, aber das Ergebnis kann sich nicht nur sehen lassen, man sollte es unbedingt sehen! In Berlin erntete "Die Stille nach dem Schuss" reichlich Preise: Einen "Silbernen Bären" für die Hauptdarstellerinnen Bibina Beglau und Nadja Uhl sowie den "Blauen Engel" für den besten europäischen Film.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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