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Pycho (1998)

USA 1998 (Psycho) Regie Gus van Sant, 104 Min.

Warum, Mutter?

Die schnellen Messer- und Filmschnitte unter der Dusche, das Pärchen vor dem Schlagschatten der Jalousie und das gespenstische Haus hinter dem Bates-Motel sind Ikonen unserer visuellen Kultur. Nun kommt aus Hollywood, dem Reich der unendlichen Einfaltslosigkeit ein Remake von "Psycho".

Mit einer langen Eröffnungseinstellung, die mittels Hubschrauber so gedreht wurde, wie Hitchcock es eigentlich plante, landen wir in Phoenix, Arizona, einem billigen Hotelzimmer und auf dem unberührten Mittagessen von Marion (Anne Hache). Nach einem Schäferstündchen mit ihrem Freund Sam (Viggo Mortensen) ergreift sie die Gelegenheit von 400.000 Dollar, die nicht ihr gehören, flieht in Richtung Westen und muß erschöpft bei einem abgelegenen Motel anhalten. Was jetzt folgt, hat jeder bewußt oder unbewußt schon oft gesehen: Duschszene, Norman Bates und eine Begegnung mit "Mummy". Wo soll da die berüchtigte Psycho-Spannung herkommen?

Regisseur Gus van Sant ("Good Will Hunting", "My Private Idaho") macht das Warten auf die berühmten Schlüsselszenen aus "Psycho" von 1960 mit ausführlichen Dialogen lang. Die Gespräche sind jedoch immer nur kurz davor, reizvoll zu sein. Die überraschenden Wenden in der Story waren damals revolutionär, heute verläuft der detailliert kopierte Handlungsfluß langsam. Raffiniert psychologische Tricks, etwa daß die Identifikationsfigur schon in der ersten Hälfte ersatzlos "weggeschnitten" wird, reißen allein niemanden mehr vom Kinosessel. Nur die deutlicher sexuellen Darstellungen wirken aktuell, während sie vor vier Jahrzehnten erotisch schockten. Die von Marion unterschlagene Summe hat sich mittlerweile verzehnfacht, der Wert des neuen Filmes ließe sich eher mit Bruchrechnung quantifizieren.

Doch was bringt das Remake Neues - außer neues Geld in der Kasse? Trotz der Modernisierungen der nun in der Gegenwart spielenden Geschichte sollen 95% der Aufnahmen dem Original entsprechen. Der Vorspann variiert das graphische Kunstwerk von Saul Brass und Danny Elfman ("Mars Attacks", "The Nightmare before Christmas") spielte erfolgreich mit den bekannten musikalischen Themen von Bernard Herrmann herum. Norman Bates erhält deutlich transsexuelle Züge (die Hauptdarstellerin Anne Hache gilt übrigens als Partnerin der offen lesbischen Ellen und der Regisseur ist schwul).

Es wird stilvoll gefilmt und zitiert: Ein Turm wie aus Vertigo drängt sich ins Panorama, unter den ausgestopften Vögeln springt selbstverständlich ein Rabe (der gerne auf Hitchcocks Schultern saß) ins Bild, die Rückprojektionen sind sehr schön gestrig. Selbst der typisch versteckte Auftritt Hitchcocks in seinen eigenen Filmen wird zitiert. Anne Heche ("Sechs Tage, sieben Nächte", "Wag the Dog", "Für das Leben eines Freundes") erfüllt mit einer Sechziger-Frisur und dem zurückhaltenden Gebaren die Anforderungen einer Janet Leigh-Kopie. Der vom bloßen Aussehen nicht besonders bemerkenswerte Vince Vaughn ("Swingers", "Für das Leben eines Freundes") spielt die verschiedenen Seiten von Norman Bates Schizophrenie und Transvestie nicht besonders fein aber eindringlich. Julianne Moore als Marions Schwester Lila muß eine Menge Accessoires und Können aufbieten um dem Mädchentyp zu entsprechen, deren Mutter sie sein könnte.

Insgesamt ist "Psycho" gut gefilmt, aber für einen packenden Thriller zu gestrig. Für einen eigenständigen Film zu sehr Remake. Gus van Sant meinte, wie Theaterstücke könnten auch Filme immer wieder neu inszeniert werden. Die jüngeren Generationen - sofern sie es nicht generell ablehnen, "Schwarzweiß-Filme" zu sehen - hätten außerdem "Psycho" noch nie im Kino sehen können. Leider hat van Sant im letzten Punkt recht, aber das ließe sich auch anders beheben, indem die Filmverleiher ihr Material als Kulturgut pflegten und nicht rücksichtslos einstampften.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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