Nackt

BRD 2002 Regie: Doris Dörrie Mit: Heike Makatsch, Benno Fürmann, Alexandra Maria Lara 100 Min. FSK ab 12.

"Die Sendung mit der Maus hat unsere Liebe umgebracht!" Mit solch humorvollen und durchaus ernsten Gedanken über den Stand heutiger Beziehungen startete Doris Dörries "Nackt" im Wettbewerb von Venedig und diese Woche in den deutschen Kinos.

Die erfolgreiche und mit ihren immer wieder spannenden Stoffen beliebte Autorin und Regisseurin Dörrie (zuletzt "Bin ich schön?" und "Erleuchtung garantiert") lässt in ihrem neusten Film drei Pärchen für einen Abend aufeinander treffen. Für die depressive Emilia und den arbeitslosen Rebellen Felix (Heike Makatsch, Benno Fürmann) ist es schon vorbei, sie werfen sich nur noch knallhart Erinnerungen an den Kopf. Bei der Börsenfrau Anette und dem Katzenklo-Typ Boris (Alexandra Maria Lara, Jürgen Vogel) hakt es, sie hat Geschäfte im Kopf, er sexuellen Frust im Körper. Charlotte und Dylan (Nina Hoss, Mehmet Kurtulus) haben es geschafft - finanziell. Trotzdem denken sie nur noch mehr ans Geld, sie schreit nach Liebe und wirft ihm vor, "Speck auf der Seele" angesetzt zu haben.

In der kühl gestylten Wohnung von Charlotte und Dylan treffen sich die Paare, jeder bringt seine Komplexe mit, eigentlich hatte keiner Lust auf diesen Abend. Nach einem verkrampften Start stellt Felix die Beziehungen auf eine Feuerprobe, die zum Titel gebenden Clou des Films führt: Wie gut kennt ihr euch überhaupt? Würdet ihr euch tastend erkennen, wenn ihr mit verbundenen Augen nackt voreinander steht?

Das Ergebnis dieser Szenen soll weiterhin spannend bleiben. Für die Paare und Doris Dörrie, die "Nackt" nach ihrem Bühnenstück "Happy" inszenierte, ist es nur ein Anstoß zu weiteren Bekenntnissen tief aus der Seele, zu radikalen Erkenntnissen: "Jetzt bin ich happy, früher war ich glücklich." In originellen Szenerien - Emilia lebt zwischen Kartons, Rettungsboot und Igluzelt - und einem sehr statischen Rahmen arbeiten sich die Darsteller mit unterschiedlicher Wirkung an einer Menge Text ab. Ob "Nackt" funktioniert, hängt sehr von deren Leinwandpräsenz ab, versagt sie, stehen die Gedanken nackt da: Benno Fürmann und "die Makatsch" wirken glaubhafter, bei Nina Hoss und Mehmet Kurtulus erscheinen die Statements gesetzter: "War nicht so gemeint unser Leben". Der angejazzte Lounge-Sound versucht eine Dynamik zu halten, wie beim Sound wirkt auch der Ideen-Teppich manchmal einlullend gleichförmig. Doch es gibt genügend Stachel, Ansätze zur Weisheit und nagende Fragen unserer Zeit: "Sind wir mehr als unsere Körper?" Da tastet jemand unser Leben ab, das fühlt sich zwischen Nähe und Distanz unheimlich an, weil Dörrie keine angenehme (Erzähl-) Umgebung schafft. Etwas mehr Film, mehr der starken bewegten Bilder aus der Endsequenz hätten die bitter-süße Medizin leichter verdaulich angerichtet.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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