Mit Ikea nach Moskau

BRD 2001 (Mit Ikea nach Moskau) Regie Michael Chauvistre, 94 Min.

Wie aus dem Klassenkampf ein Kassenkrampf wird.

Der Filmemacher Michael Chauvistré begleitet in seiner vielschichtigen, spaßigen und genauen Dokumentation eine ostdeutsche Familie nach Moskau. Die "Ossifrau" Manuela und der "Wessimann" Ulf haben sich in einem Berliner Ikea-Möbelhaus kennengelernt. Mit Leib uns Seele engagieren sie sich nun in Moskau, um die erste russische Ikea-Filiale zu eröffnen. Zwar werden die schwedischen Möbelfilialen wie deren Regale mittlerweile weltweit in Serie aufgebaut, aber jeder Region muss eine persönliche Note hinzugefügt werden.

Chauvistré hat sichtbar Spaß an unglaublichen Szenen, die pure Realsatire sind. Da übt der schwedische Marketing Director tatsächlich ein simples Ikea-Liedchen zur Klampfe: "We are Ikea, We are Ikea, We are Ikea - Here we come!" Es ist eine große Familie - mit den typischen Familien-Streitigkeiten: Wer darf mit Papa durch die Regale gehen? Wer muss in der Kantine warten? Als der große Boss, der Gründer den neuen Laden besichtigt, sind die Mitarbeiter - oder Fans? - Ulf und Manuela beleidigt, weil sie nicht den erwarteten Dank erfahren. Nach eigenem Bekunden lieben und leben sie Ikea. Der schwedische Filialleiter führt durch seine, nur für europäische Verhältnisse bescheidene Wohnung und trägt anschaulich Gedanken zur Moskauer Wohnkultur bei.

Die pointierte und vielschichtige Doku kratzt am Kult, an der Verehrung für die Ikea-Idee und ihren Schöpfer. Das hat sich sicher jeder mal gewünscht, der mit der Bedienungsanleitung für einen Schrank nicht zurecht kam. Immer wieder ist "Mit Ikea ..." aber auch eine Fortsetzung der Ost-Dokus "Mal sehn, was draus wird" und "Die Zeit, die läuft" von Michael Chauvistré. Dies ist bereits sein zweiter Ikea-Film. Zum Doris Dörrie-Projekt "Midsommar Stories", einer Reihe von Kurzfilmen rund um Ikea, steuerte er "Pax", die Weltreise mittels eines Schrankes bei.

Die Eröffnung in Moskau selbst ist ein Volksauflauf, der Lenin und Stalin gefallen hätte. Ein russisches Mütterchen hofft bei der Tombola, ein Bett zu gewinnen. Als ehemalige Kolchos-Arbeiterin ohne Rente - wir kennen die dazu gehörigen Blicke aus dem Auslandsjournal, von Bednarz und Ruge - hat sie bisher keins. Im Laufe der chaotischen Eröffnung kauft ihr der Sohn aber erst mal ein Regal und einen Klappstuhl. Das ist alles viel zu schön, um noch Dokument zu sein. Michael Chauvistré amüsiert und irritiert immer wieder mit der Kunst, solche Momente aufzustöbern.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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