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Locarno 1998 - Festivalgünstig anzubieten ...

Von Günter H. Jekubzik

Locarno klagt über Geldmangel. Kein Wunder, meldeten doch dieZeitungen kürzlich, jeder zehnte Schweizer sei arm! Zu dieserMinderheit, die mit dem Firmenferrari zum sparsamen Marmeladenkaufnach Deutschland muß, gehört Festivalchef MarcoMüller sicherlich nicht. Finanzielle und strukturelleForderungen, die er zu Festivalbeginn zusammen mit einerKündigungsdrohung stellte, sehen eher nach Kompetenzgerangel undFührungsstreit aus. Doch auffällig ist schon, wieallerseits über Geldmangel geklagt wird. Die Lösungenwerden vom 51. InternationalenFilmfestival Locarnos allerdings gleich mitgeliefert:

Das größte Plus und den gewaltigstenImageverlust brachte "Mulan" am Eröffnungsabend. DerDisney-Zeichentrick kombinierte eine chinesische Historie mitKriegsspiel, Travestie und rasender Unterhaltung. Zum Erhalt desRenommees von Locarno wäre ein chinesischer Verbotsfilm oderauch ein erlaubter oder auch ein taiwanesischer angebracht gewesen.Aber nicht so etwas belangloses, Familien-reingewaschenes.Andererseits kann sich auch kein chinesischer Dissident das Spektakelleisten, mit dem sich "Mulan" in Locarno eingekauft hat.

Nach dem Motto "Böller statt Filmkultur" dominierte vor demFestival auf allen Plakaten und auch am Eröffnungsabend diegroße Marketingkampagne zur europäischen Premiere vonDisneys "Mulan". Ein Stunde vor dem Film begann der Soundtracküber die Piazza zu tönen. Nachher spendierte Buena Vistaohrenbetäubenden Feuerwerkslärm und vernebelte die Leinwandsowie Köpfe. Als weitere Drohung einer durchgesponsertenFestival-Unkultur machte sich MacDonalds symbolisch genau dort breit,wo die Open-Air-Karriere dieses bislang faszinierenden Festivalmixesim Garten des Grand Hotels begann. Zudem hat sich Levi's in denNachwuchswettbewerb "Die Leoparden von Morgen" eingewoben. AlsErgänzung zum diesjährigen Focus auf Großbritannienund der gewohnten Präsentation von Schweizer Kurzfilmen darf derJeansmacher in seinem Privatwettbewerb junge ItalienerInnen ihreGeschichten erzählen lassen. Wo wir grad bei der dreckigenWäsche sind: Eigentlich hörte sich die Benetton-Connectionganz gut an. Eine dem Festival nahestehende Stiftung fördertFilme aus der ehemaligen Dritten Welt u.a. mit Benetton-Geldern. Diefertigen Stoffe und Stücke werden selbstverständlich gerneam Lago Maggiore uraufgeführt. Festivalchef Marco Müllerkümmert sich dafür in der Benetton-Kreativabteilung Fabricaum den Film. Doch die künstlerische Freiheit, die etwa derFotograf Oliviero Toscani bei Fabrica auskostet, darf man nichtüberall erwarten, wo ein Markenzeichen Kultur verunziert.


Eine Kritik von GünterH. Jekubzik

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