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Mäßiger Wettbewerb

Von Günter H. Jekubzik

Berlin. Die meisten Beiträge im Wettbewerb der "49. Internationalen Filmfestspiele Berlins" sind gelaufen. Während die Jury unter dem Vorsitz von Angela Molina berät, rätselt die restliche Berlinale, welcher Filme für den Goldenen Bären, der Sonntagabend verliehen wird, in Frage kommen.

Zwei Werke führten auf ganz unterschiedliche Weise zu der grundlegenden Frage nach dem Sinn des Lebens: Terrence Malicks "Der schmale Grat" (A thin red line) ging durch die Hölle des Krieges, um in seinen Protagonisten die Sehnsucht nach wahren Werten erklingen zu lassen. Der Franzose Bertrand Tavernier porträtierte in "Ca commence aujourd'hui" fast dokumentarisch den atemberaubend mutigen Kampf eines Grundschullehrers gegen die Armut und Hoffnungslosigkeit einer ehemaligen Bergarbeiterregion in Nordfrankreich.

Die große Aufregung verursachte nicht die wiederholte Diskriminierung des afrikanischen Kinos in Wettbewerb und Panorama oder der publikumswirksame Auftritt des wütenden, sich betrogen fühlenden Regisseurs von "American History X" am Rande der Berlinale. Als plötzlich Polizeischutz dies friedliche Filmfest grün färbte, kam der Anlaß von außen und fast wirkte es, als wolle man die Auseinandersetzung zwischen Türken und Kurden - in Berlin zahlenmäßig etwa gleich stark in der Bevölkerung vertreten! - und den Rest der häßlichen Welt draußen halten. Dabei war just an dem Tag, an dem drei Kurden von israelischen Sicherheitskräften erschossen wurden, ein türkischer Film, der gegen Mord und Folter an den Kurden eintrat, im Wettbewerb zu sehen. Niemand glaubt jedoch, daß die Jury in Absprache mit der Festivalleitung den Mut haben wird, "Günese Yolculuk" (Die Reise zur Sonne) mit einer politischen Ehrung auszuzeichnen. Denn filmisch ist das Werk der türkischen Regisseurin Yesim Ustaoglu nicht herausragend. Was sie jedoch überhaupt zeigt, verdient Anerkennung: Wie der 20jährige Mehmet in Istanbul völlig willkürlich in die Fänge der Polizei gerät, verhaftet und geschlagen wird. Wie er am Ende dann, um seinen von der Polizei ermordeten kurdischen Freund zu begraben, das zerstörte kurdisches Dorf findet, die türkischen Soldaten mit Material der Nationalen Volksarmee sieht.

Was diesen Wettbewerb wieder so unbeliebt machte und tatsächlich einen Unterschied zu Cannes schaft ist nicht das Wetter, sondern das heftige Auf und Ab des filmischen Niveaus bei einem der drei wichtigsten Filmfestivals Europas. Es bleibt unbegreiflich, wie absolut banale Beiträge, etwa die dümmlich-alberne spanische Nazifilm-Komödie "La nina de tus ojos" zugelassen werden können. Dazu gab es wie immer die Hollywoodbeiträge, deren Auftritt man sich nur mit Koppelgeschäften erklären kann. So könnte der Oscar-Hit "Shakespeare in Love" vielleicht das unorginelle Rührstück "Familiensache" huckepack in den Wettbewerb gezerrt haben. (Meryl Streep gab es als opferbereite, krebskranke Mutter noch dazu.)

Nur noch ein Film thematisierte den schweren Stand der "Realität" gegenüber den filmischen und sonstigen Illusionen. David Cronenbergs "eXistenZ" schaute allerdings schon über die Welt des Films hinaus, tauchte in die Virtuelle Realität eines Computerspiels ein und ließ das Publikum mit der Frage zurück: "Was ist real, was Fiktion?"


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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