Die Frau auf der Brücke

Fr 1999 (La fille sur le pont) Regie Patrice Leconte, 95 Min.

Ein verzweifeltes Mädchen auf der Brücke. Das fängt schlimm an, das wird noch schlimmer enden! Adèle (Vanessa Paradis) will in die Fluten, doch der Retter Gabor (Daniel Auteuil) schleicht heran ... Retter? Gabor sucht die Nacht regelmäßig nach Verzweifelten ab, nach Frauen, die nichts mehr zu verlieren haben. Als Messerwerfer verschleißt er attraktive Zielscheiben. Der französische Film- und Gesangstar Vanessa Paradis beginnt ihre Adèle als einfaches Mädel. Sie hatte viele Männergeschichten, aber nie Glück. Das Leben ist für sie ein Wartesaal. Gabor rettet die Unglückliche und macht - in einer rasanten Verkleidungs-Jazz-Montage - aus ihr Jemand. Der folgende Auftritt ist unverschämter Akt, ein Liebesakt. Sein Wurf. Ein jungfräulich weißes Tuch, das Adèle verdeckt. Das Eindringen des Messers, dem sie sich aufstöhnend entgegen stemmt. Die Kamera legt die dabei entrückt Lächelnde flach. (Liebe Kinder, bitte nicht zuhause nachmachen!) Der winzige Blutfleck im Tuch und nachher gibt es statt der gemeinsamen Zigarette ein Pflaster für die kleine Wunde. (Feministen bei diesen erotischen Gewaltakten bitte weghören!) Fortan werden Gabor und Adèle vom Glück verfolgt, die Engagements in Monaco und San Remo spiegeln den Erfolg. Zwischendurch gewinnt Adèle auch noch im Spielkasino. Doch ihre Hingebung wandelt sich in flüchtenden Schmerz als sie angesichts einer sehnsuchtsvollen Vorgängerin den kurzlebigen "Serientäter" in Gabor erkennt. Von nun an geht es schrecklich und melodramatisch bergab mit den beiden Liebenden und irgendwann steht Gabor auf einer Brücke über den Bosporus ...

Patrice Leconte, der Regisseur von "Der Mann der Friseuse" (1990), "Monsieur Hire" (1989), "Das Parfüm von Yvonne" (1994) oder "Ridicule" (1996), zauberte wieder einen humor- und gefühlvollen Kinogenuss aufs Zelluloid. Es ist eine dieser klassischen Zirkuskonstellationen, die das beziehungsnotwendige Vertrauen äußerst dramatisch symbolisieren. Wie überhaupt der Zirkus eine Fundgrube für Beziehungsmetaphern darstellt, etwa das äußerst spannende Dreiecksverhältnis der Trapezkünstler (exzellent geschildert in De Winters Roman "Kaplan"). Das alles schwelgt in Lecontes edler Inszenierungskunst. Die Kostüme der Varietestars sind selbst im detaillierten Schwarzweiß noch bunt, dazu die treffliche, Schwung gebende Musik von Benny Goodman, traditionelle Klänge aus Italien, Natasha Atlas und der Leitsong von Marianne Faithful. Mit kleinen Pointen und Nuancen würzt Leconte die melodramatische Liebesgeschichte und macht aus diesem "ach so französischen" Film ein besonderes Erlebnis.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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