Der Eissturm

USA 1997 (The Ice Storm) Regie Ang Lee, 112 Min.

Ang Lee dreht Familienfilme. Er dreht sie irgendwo zwischen Taiwanund China, zwischen dem späten 18. Jahrhundert und dem Heute,zwischen Hetero- und Homosexuellen - aber er dreht immerFamilienfilme. Nach "Pushing Hands" (1991),"Das Hochzeitsbankett"(1992), "Eat Drink ManWoman" (1994) und"Sinn undSinnlichkeit" (1995) ist "Der Eissturm" die nächsteVariation dieser thematischen Konstante bei Ang Lee. (Und wiederklingt nur noch die Musik asiatisch.)

Es sind die Seventies, die Zeiten von Zappa undNixon. Die Illusionen sind mit Vietnamund Watergate verflogen. Die Ehe im Stadium der Lieblosigkeiterfroren. Als Erbe der Sechziger blieb die sexuelleFreizügigkeit. Swinger-Parties sind jedoch mehr Pflichtprogrammals Lusterweiterung.

Es ist Thanksgiving - das familiärste aller familiärenFamilienfeierlichkeiten in den USA. An diesem Tag kulminiert derganze us-amerikanische Glaube an eine heile (Familien-) Welt - und erzerbricht auch meist an diesenFamilienfestenund anderen Schwierigkeiten. Da reicht schon ein politischbewußtes Dankgebet um die Tafelstimmung explodieren zu lassen.

Denn so wie der Truthahn mit Obst, sind die Beziehungen prall mitunausgesprochenen Problemen gefüllt. (Secrets and Lies) Ben Hood(Kevin Kline) hat mit der einen Frau er eine Ehe, mit der NachbarinJaney (Sigourney Weaver) Sex. Als die Kinder beginnen "Zeigst du mirdein's ...." zu spielen, schlägt allerdings der moralischeHammer zu. Doch es muß auch schockierend sein, die Tochter miteiner Nixonmaske beim Petting zu sehen! Fuck Nixon! Mutter Elena Hood(Joan Allen) und Tochter Wendy (Christina Ricci) stehlen sich in denLäden des Ortes den Frust von der Seele. Der kleine Sohn derNachbarin Janey spielt sehr militant mit seinem militärischenSpielzeug und ist auch sonst ein kleines Monster. Paul Hood (TobeyMaguire) umschwärmt vergeblich eine Kommilitonin dernaheliegenden Uni New Yorks.

Während die Jugendlichen neugierig ihre Wege suchen, bietendie Erwachsenen ein Trauerspiel: Einsame Menschen, die inZweierpaaren auf falschen Bahnen leben. Sie können ihren Wegnicht mehr beeinflussen und im Staunen über den wundersamenVerlauf ereilt sie das Ende. So ließe sich vielleicht auch dieäußerst bemerkenswerte Schlüsselszene des Filmsdeuten: Die Art des Todes als Metapher des Lebens.

Und über all dem droht eine Katastrophenwarnung derMeteorologen: In der Nacht sollen Temperaturen dramatisch fallen, einRegenschauer wird alles in ein märchenhaftes Eisland verwandeln.Die Kälte zieht sich durch den ganzen Film, Eiswürfelklimpern groß im Bild, der kühle, nüchterneBauhausstil des Hauses läßt schaudern, WendysFüße frieren dauernd. Die vielfältig verzwicktenBeziehungen kulminieren in diesem sehr eindrucksvollenNaturspektakel. Das Knirschen und Brechen von Eis, der verharrendeMoment erzeugen ein einzigartiges Erlebnis.

Trotz alberner70er-Klamotten kommen die Menschen unter der Beobachtung Ang Leesinteressant eigenwillig rüber. Ein sorgfältiger Aufbau,viele interessante Figuren sowie bemerkenswerte Ereignisse machen AngLees "Eissturm" besonders sehenswert. Die Besetzung bildet einengroßen Starreigen bis hin zu den Jungstars Christina Ricci undElijah Wood. Bekannte Gesichter, die sich vollständig in dieGeschichte einfügen.


Eine Kritik von Günter H.Jekubzik

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