Die Blume des Bösen

Frankreich 2003 (La fleur du mal) Regie Claude Chabrol mit Nathalie Baye, Benoît Magimel, Suzanne Flon 104 Min.

Der Arzt empfiehlt, einmal im Jahr bei der Apotheke Chabrol vorbei zu schauen! Nach einer fein abgemischten Dosis Chabrol sieht man klarer, was das Wesen der Menschen, vor allem der Untergattung "Französische Bourgeoisie".

Ein Landhaus in der französischen Provinz: Die Fassade eindrucksvoll und herausgeputzt. Die leise Kamerafahrt hinter die Kulissen führt uns zu einer grausamen Tat. Doch Chabrol verlässt die weinende Frau erst einmal, geht zurück in der Zeit, zur Heimkehr des jungen Sohns der Familie, François Charpin-Vasseur (Benoît Magimel), aus den USA. Vier Jahre war er dort, es gab Gründe, doch die werden kaum angedeutet, geschweige angesprochen. Stiefschwester Michèle (Mélanie Doutey) freut sich, alte Gefühle leben auf. Man speist vornehm, die beiden jungen Leute fahren für eine Nacht ins Häuschen am Meer und amüsieren sich über die Eigenheiten der Eltern.

Mutter Anne Charpin-Vasseur (Nathalie Baye) kämpft verbissen in der Politik. Ihr frustrierter Gatte Gérard (Bernard Le Coq) hat derweil Affären im Hinterzimmer seiner Apotheke. Souverän wacht Tante Line (Suzanne Flon) über alle, sie ist auch der Schlüssel zu einer schicksalsschweren Vergangenheit, die durch einen anonymen Brief ans Licht gezerrt wird. Was ist dran, an den Gerüchten von der Nazi-Kollaboration des Großvaters von Anne? Hat dieser wirklich seinen Sohn, der in der Résistance kämpfte, ermorden lassen? Und war der Unfall, der gleichzeitig Anne und Gerards damalige Ehepartner tötete, tatsächlich ein tragisches Unglück?

Die Filmtablette, die uns der 1930 geborene Kino-Pharmakologe Chabrol im Jahr 2003 verschreibt, ist wie es sich gehört, außen schön glatt gelackt und in sanften Farben - also gut zu schlucken. Die bitteren Inhalte, das "Süße Gift", die tiefschwarzen Schatten der menschlichen Seele deuten sich anfangs im edlen Kamerahandwerk und exzellenten Ensemble-Schauspiel nur sanft an.

Es könnte gepflegte Langweile ausbrechen, beim ruhigen Erblühen dieser "Blume des Bösen" und im Werk des ehemaligen Pharmakologie-Studenten Chabrol, der seit seinem Debüt 1958 mit schöner Regelmäßigkeit jedes Jahr einen Film inszeniert. Aber das allgemeine Niveau französischer Filme liegt immer noch über dem deutscher Produktionen, so dass man sich solche Pauschalurteile nicht erlauben darf. Und die Spitzen Chabrols sind noch treffend, auch wenn sie im Verhältnis zu den Abgründen der alltäglichen Politik und den schlagzeilenträchtigen Ausbrüchen menschlicher Schlechtigkeit harmlos erscheinen mögen.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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