Die Asche meiner Mutter

GB 1999 (Angelas Ashes) Regie Alan Parker, 143 Min.

Die Biographie des renommierten, aus Irland stammenden Autors Frank McCourt ist als Film mehr die Standard-Lebensgeschichte eines Künstlers als eine kunstvolle Lebensgeschichte.

Die Familie McCourt ist kinderreich aber ansonsten sehr arm. Im Irland der Dreißiger ist das Leben unter englischer Herrschaft sehr grau. Während nicht nur viele Iren von Amerika träumen, kommen die McCourts von dort nach Limerick zurück. Malachy McCourt (Robert Carlyle) ist gleichzeitig ein stolzer und ein feiger Vater. Humorvoll geht er mit den Kindern um, ist hart gegen die schuldigen Engländer. Wenn er mal Arbeit und Geld hat, versäuft er sofort beides. Malachy hat es noch etwas schwerer, denn er "kommt aus dem Norden". Irgendwann bricht er auf, um bei den Engländern zu arbeiten und verschwindet ohne Nachricht.

So bleibt dem jungen Frank nur die Sehnsucht nach einem besseren Vater und die starke, energische Mutter. Angela (Emily Watson) ist die Heldin und die Heilige des Elendes. Immer wieder begleitet der Junge ihr erniedrigendes Bitten bei den Wohltätigkeitsbüros der Kirche um ein gebrauchtes Bett oder einen alten Tisch. Ihre Wohnung ist direkt neben dem Klo für die ganze Gasse. Auch das Wasser der ganzen Gegend läuft in die Behausung, die aus einem Zimmer unten und zwei oben besteht. Weil es in Limerick dauernd regnet, sehen sie besonders übel aus, diese verschlammten, engen Gassen, diese irisch-nassen Varianten von Berliner Zille-Motiven. Immer wieder sterben die Kinder an Kälte oder Unterernährung. Wer überlebt, bekommt in der Schule unter Schlägen eine Mischung aus religiösem und nationalistischem Quark eingetrichtert. Bei der ersten Heiligen Kommunion kotzt Frank dann auch als passende Reaktion die Hostie wieder aus. Das Schlimmste für ihn sind allerdings die Tanzstunden irischer Folklore. Die wahre Religion jedoch ist das Kino mit James Cagneys Gangsterfilmen. Und auch die kleine Freiheitsstatue, der Traum von Amerika, wird angebetet.

Die Stimme des erwachsenen Frank McCourt erzählt erinnernd im Off von den üblichen Jugend- und Jungenscherzen. Früh steht der aufgeweckte Junge vor dem Dilemma aller Menschen in Entwicklungsländern: Arbeit oder Bildung? Der erste Job als Kohlenlieferant bringt ihm eine Bindehautentzündung ein. Später kommt Typhus hinzu, aber durch neues Blut lebt Frank auf und liest und lernt behütet im Krankenhaus. Das führt zu spät entdeckten literarischen Fähigkeiten und scharfen Erkenntnissen: In Shannon sind so viele Menschen in der Kirche weil es immer regnet, nicht wegen des Glaubens. Am Ende fährt das Schiff ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten, wo der reale McCourt 45 Jahre als Englischlehrer arbeitet, bevor er erst vor wenigen Jahren seine Memoiren veröffentlichte.

Hauptsächlich die exzellenten Schauspieler machen diese überlange Biographie Frank McCourts erträglich. Alan Parkers Film hat zwar einige gute Momente, bleibt aber zu herkömmlich in Form und Inhalt. Es ist wie in Angelica Houstons lebendigerem Film "Agnes Brown" eine Geschichte von Mut und Anstand angesichts von Elenden und Armut. Die bitteren Lehren sind überdeutlich: Schon nach dem ersten Gelage schlägt der betrunkene Frank seine geliebte Mutter wie einst der Vater. Der Auf- und Ausbruch Franks, die hart ersparte Amerikareise, wird durch den zwiespältigen Job für die verhasste Geldleiherin zur banalen Erfolgsstory. Selbstverständlich bekommt auch die scheinheilige Kirche ihren Standesdünkel heimgezahlt. Und trotzdem landet in einem großen symbolischen (und sehr katholischen) Akt der Vergebung das Schuldbuch der ganzen Gegend im Fluss. Das war dann aber auch schon der Höhepunkt dieses eher aufwendigen als bewegenden Films.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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