Orlando

GB/Russ./Fr/NL 1992, Regie, Buch, Musik und Gesang: Sally Potter, 93 Min.

"Er, denn es kann keinen Zweifel über sein Geschlecht geben, ..." ist der begünstigte Adelige Orlando. Doch nur bezüglich des weiblichen Geschlechts seiner Darstellerin Tilda Swinton gibt es nie Zweifel. So sind die vier Jahrhunderte eines ewig jungen Lebens von Anfang an ein Diskurs der Geschlechterverhältnisse, nicht erst nach der Erfahrung des männlichen Kriegens und Tötens, die Orlando hundert Jahre später in einem Schönheitsschlaf tatsächlich zur Frau werden läßt.

Im Jahre 1600 verlangt die alte Königin Elizabeth I., die Schönheit des jungen Adeligen Orlando möge nie verblühen. Diese Grundlage einer nachfolgend als selbstverständlich betrachteten Unsterblichkeit wird - im Gegensatz z.B. zu Simone de Beauvoirs "Alle Menschen sind sterblich" - nicht mehr thematisiert. Dafür gibt es in der Handlung viele Reibungspunkte für einen Orlando, der sich anfangs nicht wie ein 'richtiger Mann' und später nicht als zurückhaltende Frau verhält. Die filmishce Inszenierung des gleichnamigen Romans von Virginia Woolf fügt dem weitere Rollenspiele hinzu, die den unbewußten Blick auf gewohnte Geschlechterverhältnisse konstant verstören.

Sieben Kapital - Tod, Liebe, Poesie, Politik, Gesellschaft, Sex, Geburt - lassen mit episodenhaften Struktur in einer Ästhetik der Historie schwelgen, die stark auf Potters Vorbilder Greenaway und Jarman verweist. Die makellose Schönheit der Bilder - nur manchmal schleicht sich hintergründiger Scherz als Hecken in Form von Teetassen ein - bleibt fremd, leicht distanziert, womit sie sich auch vom Kitsch fernhält. Emotionen auslösende Szenen sind selten und wenn, dann ungewöhnlich realisiert. Das faszinierende Gesicht Tilda Swintons in Großaufnahme verliert sich nach fragendem Zweifeln erst beim engelsseligen Ende in strahlendem Glück, im paradisischen Garten des 20.Jahrhunderts.

Wo die elegante Kamera verzaubert, brechen sich vertraut gebende Blicke und Sätze Orlandos in die Kamera immer wieder die Illusion des adressierten Publikums. Die von David Motion, Jimmy Sommerville und Sally Potter geschriebene Musik hilft dem etwas ideenarmen Film dabei über einige Schwachstellen hinweg.


Eine Kritik vonGünter H.Jekubzik

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