Berlinale 2002

Festivalberichte von Günter H. Jekubzik und Oliver Schiffers


Die 52. internationalen Filmfestspiele in Berlin
8. - 17. Februar 2002

Iris

Im ganzen Oscar- und Star-Rummel rund um den Schizophrenie-Film "A Beautiful Mind" droht ein stilleres Werk in Vergessenheit zu geraten.
Dabei ist das Vergessen genau das Schicksal der Alzheimer-Patientin, von der "Iris" im Wettbewerb auf bewegende Weise erzählt.

Die Wissenschaftlerin Dame Iris (Julie Dench) spricht nie ein unreflektiertes Wort aus. So sind ihre Romane erfolgreich und beliebt, sie gilt als diebedeutendste Autorin ihrer Zeit, ihre Vorträge sind ein geistiger Hochgenuss.In letzter Zeit bemerkt ihr Mann John (Jim Broabent, der Ziedler aus "MoulinRouge") allerdings, wie sie beim Schreiben lange nach einem Wort sucht. DieAnzeichen häufen sich und eine Gehirnuntersuchung bringt das schrecklicheErgebnis: Iris hat Alzheimer. Die Ärzte, die besten des Landes, redenKlartext: Es gibt keine Heilung, keine Rettung vor dem völligen Verfalldes Gedächtnisses.

So müssen Iris und vor allem ihr Mann John alleine damit fertig werden, dass aus dem hochintelligenten Menschen, der so viel Wert auf seinen Verstand legte, jetzt ein infantil wirkender wird, der tagelang Teletubbies sieht. In ihrer - oder seiner - Erinnerung läuft die Lebens- und Liebesgeschichte des ungewöhnlichen Paares ab. John verehrte sie schon immer, bliebaber stotternd und ungeschickt am Rande der schillernden Bekanntschafteneiner strahlenden Iris (Kate Winslet). Erst spät öffnet sie sichund gesteht ihre Liebe nur zu John.

In wunderbar gefühlvollen Bildern werden Gegenwart und Erinnerungmiteinander verwoben. Immer wieder tauchen Iris und John in ihrem See, begegnensich unter Wasser als junges Paar. Mit Bildersprache versucht Regisseur RichardEyre die geheimnisvolle, rätselhafte und verschlossene Welt der Alzheimer-Kranken zu ergründen. Aber durch die exzellenten Darsteller wird auch der Mitleiden Johns nuanciert und glaubhaft vermittelt. Grobe Töne, wie sie "A Beautiful Mind" immer wieder anschlägt, bleiben aus. In der Stimmung, in denBilderwelten lässt sich die Hand des Produzenten von "Der englischePatient" Antony Minghella wiedererkennen.

Ein gelungener, ein wichtiger Film, dem man Preise im Berlinale-Wettbewerb wünscht, aber vor allem viele Zuschauer. Doch Emma Thompsons Krebsgeschichte "Wit", die letztes Jahr in Berlin lief und trotz aller Brillanz nie insKino kam, zeigt, wie schwer es solche Themen haben.