Cinemania's Guided Tours

Von Günter H. Jekubzik

"Hi, I'm Wes Craven." Es schon nett,daß der Schauer- und Horrorregisseur einen so freundlich mitder eigenen Stimme zu einem erläuterten Rundgang durch seineFilmographie begrüßt. "Wes Craven's Nightmares" ist einevon nun insgesamt 19 Guided Tours, die sich durch die CD-ROMCinemania 97 erleben lassen. Die jeweiligen Touren bieten nicht nurHintergrundinformationen wie zum Werk Cravens, dessen "Scream" nun indie deutschen Kinos kommt. Sie stellen auch ein Model fürFilmbesprechungen und -Artikel der Zukunft dar.

Die Multimedia-"Vorlesungen" in Englisch, deren Texte sich auchmitlesen lassen, dauern jeweils etwa 15 Minuten - auf dem direktenWege ohne eigenständige Ausflüge. Denn auf den Tourenläßt sich immer vom Wege abschweifen und jederzeit wiederzur Führung zurückkehren. Parallel zu CravensEinführung bietet die Cinemania beispielsweise ihren Artikel zumStichwort "Horror Film" mit einigen Fotos und Links ins Internet an.Für jeden erwähnten Namen oder Film gilt das Gleiche.Cravens Erziehung und seine späte Entdeckung des Films als"verbotene Frucht" über Bunuel und Bergman wird unterlegt durcheine für die Filmgeschichte ikonische Szene aus dem"Andalusischen Hund". Die Hand mit den Ameisen reicht weiter zu denvielen Verformungen, mit denen Cravens Kreatur Freddy Krueger in dasLeben seiner Opfer greift.

Craven interpretiert in seiner Tour Horrorfilme "als kollektiveund läuternde Alpträume". Seine Filme seien nicht Ausdruck"einer einzelnen, seltsamen Phantasie". In der Geborgenheit des Kinos- oder des eigenen Wohnzimmers - können sich die Zuschauer mitihren Urängsten und Sehnsüchten auseinandersetzen.

Sein erster Film "The Last House on the Left" (1972) war eine"Adaption" von Bergmans mittelalterlicher Geschichte "The VirginSpring" und behandelte Pro und Contra von Rache. Ein Thema, das erauch als College-Dozent zur Diskussion stellte. Auch in seinemnächsten Film, "Schocker" (1989), tauchen des Horrorfilmershumanistische Gedanken zu Rache und Justiz auf. "No way out butthrough" bleibt seinen von jeder Zivilisation losgelöstenFiguren als einzige Lösung. "Nightmare on Elmstreet" sollfür Teenager die Parabel einer Welt voller Freddy Kruegers mitihren ganz unterschiedlichen Verführungen darstellen. Einengroßen Raum nehmen die Hintergründe zu"New Nightmare"ein. Nach Craven, die Geschichte eines Alptraums, der zueinem von seinem Schöpfer unabhängigenBestandteil der Populärkultur wurde. In dieser Situation befandsich der Regisseur dadurch , daß die Produktionsfirma New LineCinema die Rechte an "Freddy Krueger" besaß. Das Haus istParabel sowie wichtiges politisches und psychologisches Symbol nichtnur in "The People under the Stairs". Nach dem Körper ist es dieerste Struktur, auf die der Mensch seine Persönlichkeitprojiziert. Und in diesem System bietet sich die besonders intime,geschützte Rolle des Badezimmers immer wieder für besonderstreffende Angriffe des Bösen an.

Beispiele von Filmen mit prägnanten Häusern und einigeFotos von Badezimmerszenen ganz anderer Filme begleiten dieAusführungen. Der Reiz dieser multimedialen "Texte" liegt auchgerade in solch freien Assoziationen. Die Verbindung ist beinahe soleicht gemacht wie gedacht, ohne daß solche Abschweifungen wiebeim linearen Textfluß stören würden. Dierhizomartige Struktur erlaubt vielfältig Ab- undRückflüße.

Craven als ehemaliger Dozent kommt mit dieser Form besonders gutzurecht, füllt sie mit interessanten, prägnant dargebotenenThemen, hebt verteidigend die starke Rolle der Frauen in seinenFilmen heraus: Sie müßten viel erleiden, aber eine vonihnen endete meist als Siegerin.

Andere Erzähler, aus denen sich die Themenvielfalt in deninsgesamt 19 Touren zusammensetzt, sind Regisseur John Waters und derProductiondesigner Bo Welch (u.a. "Beetlejuice", "Edward mit denScherenhänden" oder "Men in Black"). Vater und Sohn Peebleserzählen von "Blaxploitation". Zweimal erhalten Roger Ebert undLeonard Maltin das Wort.

Als Zugabe berichtete TV- und Filmregisseur Allan Arkush aus der"Schule" von Roger Corman, bringt nette Entstehungsgeschichten ausden Zeiten, als er noch 85 Dollar Regisseursgehalt erhielt - proFilm! Hierbei wird der Begriff "Trailer" mit dem Artikel aus demLexikon erklärt. Die Erwähnung des Films "Amacord" blendetdirekt die Cinemania-Seite des Fellini-Films ein. Jetzt sindallerdings die 97er Updates ausgelaufen. Schon die letzten Tourenkonnten nur jeweils aus dem Internet gezogen werden. Bei Datenmengenvon circa 5 MB eine schnelle oder eine teure Zugabe - je nachInternetverbindung.

Diese Form eines Artikels oder Vortrags fasziniert auf Anhieb.Selbst wenn die Cinemania zum größten Teil das Materialverwendet, das sich schon auf der CD-ROM befindet. Dabei bestehen dieVerweise hauptsächlich aus kurzen Filmbesprechungen, Bio- undFilmographien. Eher selten erläutert ein Film- oderDialogausschnitt das Erzählte. Doch in dieser Form liegt einePerspektive für die multimediale Filmkritik: Kurze Clips oderFotos können die Beschreibung einer Szene unterstützen(ohne Interpretation oder Meinung überflüssig zu machen).Und wie im Film ist es immer wieder schön, etwas erzählt zubekommen.

Linkshttp://www.dimensionfilms.com/scream/


Eine Kritik von Günter H.Jekubzik

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