Washington Square

USA 1997 (Washington Square) Regie Agnieszka Holland

Von Anfang an, von der ersten, langen Fahrt zu der für Mutterund ein Kind tödlichen Geburt, ist es klar: Die als Halbwaisegeborene Catherine wird kein leichtes Leben mit ihrem Vater haben unddies wird ein sehr schöner Film.

New York, Mitte des 19. Jahrhunderts, das Haus des angesehenArztes Austin Sloper (Albert Finney): In der düsteren Wohnungthront das Gemälde der verstorbenen Mutter und diegefährlich gutmütige Tante Lavinia (Maggie Smith)kümmert sich um Catherines Erziehung. Das Ergebnis ist einextrem unsicheres Mädchen (Jennifer Jason Leigh), das seinGesicht am liebsten hinter ihrer Hand oder einem Fächerversteckt und immer wieder in Peinlichkeiten hereintapst. Aus derWohnung heraus geht nur ihr Blick durch einen engen Fensterrahmen.Sobald der Vater auftaucht, stürmt die auf ihn fixierteCatherine überdreht die Treppe herunter, um seine kühleZurechtweisung zu empfangen.

Beim ihrem ersten gesellschaftlichen Auftritt lernt Catherine denjungen Morris Townsend (Ben Chaplin) kennen. Ihre Herzen finden sichbald beim Pianospiel, dessen Reiz die ganze Dienerschaft herbeilockt.Nur der zynische Vater scheint blind für die Schönheitseiner Tochter, meint, sie sei unfähig, nach sich selber zusehen. Aber das Selbstbewußtsein der Catherine wächst, sieküßt sich im Spiegel, legt sich liebevoll auf ihn. Nunbeginnt der Vater, um seine Tochter zu kämpfen, die Eifersuchttritt offen zutage. Eine einjährige Reise nach Europa soll dieLiebe des Bewerbers testen, soll zeigen, ob der mit einfachen Mittelnlebende, berufslose Mr. Townsend nicht nur auf das Erbe Catherine ausist. Und irgendwann wirkt der bittere Samen des väterlichenZweifels. Mr. Townsend versucht verbissen, Geld zu verdienen, dieBeziehung wird belastet, die Liebe endet.

Gegen diese mühsame Liebesbeziehung und die reifePersönlichkeit Catherines stellt der Romanstoff von Henry Jameseine Ehe, die nur auf "dem Wichtigsten" basiert: Rein, dümmlichund zufrieden gebiert dort die Frau und kann nur einmal der mutigenCatherine ihre Bewunderung ausdrücken.

"Washington Square" zeigt ein feines, aber doch fesselndesGeflecht der Emotionen und Abhängigkeiten. EleganteÜbergänge, lange, einfühlsame Kamerafahrtengehören zu den Reizen des Films, gekonntes Spiel mit Licht undSpiegeln und vor allem: Jennifer Jason Leigh! Da staunt man einenhalben Film: Man, ist die gut, was spielt diese Frau hervorragend,was macht die bloß alles mit ihrem Gesicht, welch ein wirrverlorener Blick ... Und dann wird einem klar, dies hat man beiJennifer Jason Leigh schon öfter gedacht. Als sie in den Abgrundder Figur "Mrs. Parker" hinabstieg, die Entführung von "KansasCity" startete oder in "Weiblich, ledig, jung sucht ..." ihreMitbewohnerin terrorisierte.

Das alles macht "Washington Square" so glaubwürdig, so jetzt,daß ich als eine Figur im Dunkeln zu einem Gegenstand griff undihn ans Ohr führte, ein Handy erwartete - es war eine Muschel.

Nach "Portrait of a Lady" mit Nicole Kidman wird bald alsnächste Henry James-Verfilmung "Die Flügel der Taube" mitHelena Bonham Carter ins Kino kommen.


Eine Kritik von Günter H.Jekubzik

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