Das Wunder von Macon

(The Baby Of Macon) NL/GB/Fr/BRD 1992, Regie: Peter Greenaway, 119 Min. CinemaScope

Ein Theaterstück wird aufgeführt: Langsam spielen sich die Akteure warm, holen noch einige Requisiten aus den Kulissen. Das Publikum zählt die Wehen einer Geburt mit, von hinten wird der gebärenden Frau eine Stoffpuppe untergeschoben und vorne kommt ein sehr kräftiges Kind heraus. Dieses erste Wunder zeigt, was Greenaway inszeniert: Ein Vexierspiel aus Realität und Illusion. Das Publikum einer italienischen Stadt des 17.Jahrhunderts greift in die Bühnenhandlung ein, riecht, tastet und fühlt mit. Doch bis auf kleine Episoden geht das Stück mit dem Namen "Das Wunder von Macon" seinen Gang: Die Geburt in Zeiten der Frucht- und Kinderlosigkeit macht sich die Schwester des Babys zunutze. Für immer größere Gaben verteilt sie in aufwendigen Ritualen den Segen des Kindes. Die Dürre verläßt die Region, das abergläubische Volk ist glücklich, nur der Bischof sieht das kirchliche Monopol auf Wunder bedroht.

Als die übermütige Schwester zum Beweis ihrer Unschuld mit dem atheistischen Sohn des Bischofs schlafen will, verursacht das Kind - oder der Bühnenmeister, mit dessen Stimme das inzwischen gealterte Baby spricht - ein blutiges Gemetzel. Der Bischof übernimmt das so ertragreiche Wunderkind, versteigert fortan in der Kathedrale dessen Körperflüssigkeiten und übt mit einer grausamen Vergewaltigung Rache an der Schwester.

Dieses Bühnen-Melodram gestaltet Peter Greenaway als dauerndes Wechselspiel zwischen Handlung und Theater-Publikum mit unerwarteten Konsequenzen. Der Tod des Bischofssohns wird noch beiseite gekehrt. In dem Moment aber, in dem die Vergewaltigung der Schwester vom Spiel in die brutale Rache der eifersüchtigen Schauspielkollegen umkippt, entkommt niemand dem Schock.

Greenaway wollte mit "Das Wunder von Macon" nicht nur den perversen Todes-Wünschen des modernen Publikums eine extreme Antwort geben: "Ihr wollt Tod? Okay ich gebe euch richtigen Tod! - um zu zeigen wie schrecklich das Kino diese beiden Dinge für seine Manipulationszwecke ausnutzt," sagte er in einem Interview. Als Verfechter eines Kinos, das mehr als nur Geschichten erzählt, will er den Mechanismus der Illusion reflektiert sehen. Als eines vielen weiteren Themen vergleicht er auch den Jesus-Mythos der Kirchen mit aktuellen Mißbrauch von Kindern.


Eine Kritik vonGünter H.Jekubzik

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