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Vier lieben dich (Start 31.10.)

Multiplicity

USA 1996. Regie: Harold Ramis, mit Michael Keaton, Andie MacDowell, Harris Yulin, Richard Masur, Ann Cusack u.a., ca. 110 Min.

Die Anforderungen an einen modernen Mann werden auch im Film immer vielfältiger: Er soll nicht nur draußen das Geld jagen; auch Zeit für die Kinder, Liebe für die Frau und Spaßin der Freizeit mußer haben. In dieser Rolle bleibt Doug Kinney nicht mal mehr Zeit für Selbstgespräche. Doug mußfür zwei arbeiten, um seinen Job in der Bauunternehmung zu behalten. Jetzt will seine Frau Laura nach zehn Jahren Kindererziehung wieder in ihren alten Beruf zurück. Auf den Vorschlag, er könne ja in Notfällen helfend einspringen, schreit er auf: "Mein ganzes Leben ist ein einziger Notfall!"

Während eines Auftrags beim Institut Gemini (englisch für Zwillinge) geht wieder einmal alles schief, doch der schelmisch dreinblickende Genetiker Dr. Leeds bietet Doug die Lösung für alle Zeitprobleme: Eine äußerlich nicht unterscheidbare Kopie wird geklont, damit der doppelte Doug nie mehr Terminstreßhat. Der Doppelgänger erweist sich als Workaholic in rebellischer Lederjacke. Während er arbeitet, kann sich das Original endlich erholen. Aber auch die freiwillig übernommene Hausarbeit wird Nummer Eins bald zuviel und ein dritter Klon entsteht, praktischerweise mit sehr häuslichen Eigenschaften ausgestattet. Es gibt zwar einige Koordinationsprobleme und manchmal ist auch ein Doug zuviel am gleichen Ort, doch alles scheint gut zu gehen. Selbst als Nummer Vier auftaucht, eine nicht geglückte Kopie von Nummer Zwei, die Rain Man genannt wird. Ganz plötzlich brechen dann Probleme hervor. Laura ist verwirrt von Dougs plötzlichen Stimmungsschwankungen, die Nummer Eins vermißt seine ursprüngliche Rolle mitten im Leben. An einem Tag verlieren die drei Statthalter Job und Ehefrau, doch eine gemeinsame Anstrengung aller kann die Ehe retten und die Verwirrung zerstreuen.

Harold Ramis ließseinem Spiel mit der Zeit "Und täglich grüßt das Murmeltier" eine andere Verschiebung der Realitäten folgen. Dabei griff er das alte literarische und filmische Motiv des Doppelgängers auf und schlägt es zur modernen Streßbewältigung vor. Das Ergebnis unterhält mit Verwechslungskomödie vor dem Hintergrund einer Beziehungskrise. Ein fliegender Rollenwechsel im gemeinsamen Lieblingsrestaurant bringt Michael Keaton als Doug zweifach ins Spiel. Die Szenen in der Einliegerwohnung der Kinneys enthalten ähnliche darstellerische Möglichkeiten für einen vierfachen Michael Keaton wie "Der verrückte Professor" für Eddie Murphy. Keaton gibt den knallharten, gnadenlosen Typen oder auch den Klon Nummer Vier, den "Kopieverluste" recht debil ausfallen ließen. Dabei wird Keaton zum Clown im Dienste des Klamauk. Andie MacDowell hingegen erweist sich nur als Klon ihres Könnens aus "Sex, Lügen und Video" oder "Und täglich grüßt das Murmeltier".

Zerrissen zwischen verschiedenen Rollen, Anforderungen und Bedürfnissen zeigt sich der moderne amerikanische Mann. Der vermessene Anspruch alles leisten zu wollen, führt in die vielfache, technische Persönlichkeitsspaltung und zum Verlust der ursprünglichen Rolle im Leben. Das Chaos erfährt eine sehr einfache Lösung durch die alte Weisheit von Beschränkung und Maßhalten: Doug wird eine andere Tätigkeit mit kleinen Jobs aufnehmen. Der deutsche Titel "Vier lieben dich" simplifiziert also die Geschichte gar nicht zu sehr: Weder tiefere philosophische Ideen noch eine Moral reichert die Einfalt in Vielfalt an. Tiefer in die Seele geht es nicht. Das für Doppelgänger typische Aufeinandertreffen von dunklen und hellen Anteilen ist höchstens angedeutet. (Spiegelgeschichte)

Erstaunlich ist die schwache Qualität der filmischen Doppelungen. Man erwartete ja in diesem Hochsommer der digitalen Effekte immer neue Sensationen. Aber hier fallen die Ebenen altmodisch sichtbar auseinander, der Keaton im Hintergrund erscheint oft verwaschen, ohne das dies als ästhetisches Konzept zu verstehen wäre. Eine herbe Enttäuschung.

Dramaturgisch fällt eine schematische Ballung der Handlungsstationen auf. Laura entdeckt nicht mit und mit gewisse Unstimmigkeiten in Dougs Verhalten, sie werden in einer Szene summiert aufgetischt. Dazu weist die logische Konstruktion einige Fehler auf: Weshalb hat Nummer Drei nicht mehr das technische Wissen von Eins und Zwei, wo doch die gesamte Person mit allen Erinnerungen und dem gesamten Wissen kopiert wurde? Es vermögen weder Inhalte noch technischen Attraktionen ganz zu überzeugen. Ein im Ansatz sehr interessanter Stoff wurde unterhaltsam und humorig umgesetzt. Komödiantische Höhepunkte und träge Durststrecken wechseln einander ab. Es irritiert die Vielzahl verschenkter Möglichkeiten. Die liebenswürdige Menschlichkeit des Vorgängers "Und täglich grüßt das Murmeltier" wird sehnsüchtig vermißt.

Günter H. Jekubzik

Drei Murmeltiere


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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